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"Sie koennen aber gut Deutsch!"

"Sie koennen aber gut Deutsch!"

Titel: "Sie koennen aber gut Deutsch!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Gorelik
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hinzu: »So macht man das bei uns in Deutschland.«
    Und wenn dann jemand mal wieder sagt: »Du bist doch nicht gemeint!«? Dann hat er oder sie recht. Ich doch nicht. Ich bin doch Jüdin, also Teil der großen deutsch-jüdischen Tradition, auf der dieses Land basiert, wie man jüngst immer häufiger hört. Diesmal bin ich nicht gemeint, diesmal sind die Muslime gemeint, ich bin aus dem Schneider. Die Angst aber, sie bleibt.
    Es ist ein ganz klein wenig die Angst, dass ich eines Tages  – wieder – gemeint sein könnte. Es ist vor allem aber die Angst, meine Kinder in einem Land aufwachsen zu lassen, in dem Gedanken dieser Art mehrheitsfähig sein könnten. Liebe Kinder, was habt ihr heute in der Schule gelernt? Die Muslime, die sind böse, die haben eine andere Religion.
    Angst machen außerdem Nachrichten, wie die um die so genannten Döner-Morde. Dass diese Nachrichten zum Beispiel diesen Begriff – Döner-Morde – verwenden, ohne in Frage zu stellen, dass dieser verharmlost, weil nicht Döner, sondern Menschen ermordet wurden, dass der Begriff die Opfer gleichzeitig ausbürgert, sie zu Fremden macht. Angst macht, dass man Kleinunternehmern mit ausländischen Wurzeln pauschal unterstellt hat, Verbindungen zur Mafia zu haben. Dass man Jahre später – überrascht (warum überrascht?)
– feststellt, dass die Kleinunternehmer nur aus einem Grund ermordet wurden: Weil sie eben ausländische Wurzeln hatten. Dass die Mörder wohl keinerlei Probleme hatten, Freunde zu finden. Dass die Ermittler lange Zeit keinen Grund sahen, weiter in diese Richtung zu ermitteln. Dass diese rechtsextreme Bewegung wohl weit verbreiteter ist, als man im – zumindest meinem Münchnerischen – Alltag ahnt. Ein wenig über die Angst hinweg hilft, dass diese makabre Wortwahl auffällt und der Begriff »Döner-Morde« immerhin zum Unwort des Jahres 2011 gekürt wurde.
    Ob diese Ängste – auf dieser ebenso wie auf der anderen Seite – (und schon wieder spreche ich von Seiten. Warum?) berechtigt sind oder nicht, lässt sich nur herausfinden, wenn man miteinander redet. Einander fragt: »Ich habe da so eine Angst. Ist es berechtigt zu denken …?«

Zu Besuch bei einer Integrationsverweigerin
    Die Parallelwelt, in der Integrationsverweigerer leben, befindet sich – wie könnte es anders sein –, in einem Hochhaus. Das Hochhaus wiederum steht in einer großen Siedlung, in der die Häuser alle in bunten Pastellfarben gestrichen sind, dazwischen Spielplätze, kleine Grünflächen, große Parkplätze. Das Ganze soll freundlich wirken, die bunten Farben sollen zum Ausdruck bringen, es ist nicht so schlimm, wie man denkt, hier spielen Kinder und leben Menschen, es soll – während es in Wirklichkeit trostlos wirkt, trostlos und öde, auch wenn die Sonne scheint und der Himmel an diesem Tag blau ist. Die Namen auf den Klingelschildern sind genau zur Hälfte Deutsch und zur Hälfte nicht, und einer der Letzteren gehört zur Familie K., die im Erdgeschoss lebt, im Erdgeschoss und – insbesondere die Frau – in einer Parallelwelt der Integrationsverweigerer.
    Sagt wer? Sagt der Mann, der mich mit dieser Familie zusammengebracht hat, der häufig versucht hat, ihr zu helfen, zum Beispiel viel Zeit damit verbracht hat, nach einem Deutsch-Kurs für die Frau zu suchen, noch länger damit, eine Finanzierung für diesen aufzutreiben, weil die Familie nicht dazu bereit war, ihn zu bezahlen, vielleicht auch kein Geld dazu hatte. Beides klappte, die Frau ging jedoch kein einziges Mal hin.
    Sagt übrigens auch die Familie selbst. Sie kennen den Begriff »Parallelwelt« nicht, natürlich nicht, aber sie sprechen von ihrer eigenen Welt, in der sie leben, sie fühlen sich wohl darin.

    Ihre Welt in Form ihrer Wohnung ist blitzblank poliert, dass hier vier Kinder im Alter zwischen acht Monaten und elf Jahren leben, ist schwer vorzustellen. Im Wohnzimmer eine überdimensionierte schwarze Ledercouch, ein Aquarium, ein Schaukelpferd, das wiehern kann, im Vitrinenschrank ein Flachbildfernseher, der in meiner Anwesenheit ununterbrochen läuft und Al-Dschasira zeigt, sowie eine kitschige digitale Standuhr in Form einer Moschee. An den Wänden golden gerahmte Segenssprüche auf Arabisch. Segenssprüche? Woher weiß ich, dass es keine

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