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Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Titel: Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Roux
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Menschheit unter ihrer stillen Wacht jegliche Menschlichkeit zerstückelt. Ich denke an meine Schulzeit. Biologiekurs 101 …
    Neben der Vernichtung von Lebensräumen ist zweitens die Einführung nicht heimischer, »exotischer« Arten die größte Bedrohung der Biodiversität. Die Arten sind oft invasive Kreaturen und beeinflussen die Habitate, die sie infiltrieren, ungünstig. Landschaftlich, ökologisch und ökonomisch …
    »Ist da oben was?«, flüstert Ned und lehnt sich herüber. Finn berichtet über Waffen, wie viele sie verloren haben, wie viele sie zurücklassen mussten.
    »G-Gott?«, stammle ich. »Bist du das?«
    »Ha. Ha. Was siehst du denn da?«
    »Ein Rotkehlchen vielleicht. Oder auch zwei oder drei«, erwidere ich. »Ich kann’s nicht sagen.«
    »Amerikanisches Rotkehlchen, der Nationalvogel«, antwortet Ned. Er ist erschöpft, das zeigen seine blutunterlaufenen Augen. Ich kann es auch an seiner Stimme hören. Immer noch rieche ich den Rauch des Feuers in der Cafeteria der Vorschule mit der unterschwelligen Schärfe von verbranntem Haar und Fleisch. Er braucht ein Bad, dringend.
    »Ja?«, frage ich.
    »Jupp«, antwortet er und nickt in Lydias Richtung. »Muss ich mir Sorgen machen, oder bist du okay?«
    »Was? Oh, du meinst die Nationalschlampe? Ja, ja, ich komm schon klar.«
    »Allison.«
    »Ich bin drüber weg.«
    »Ich hoffe nicht«, sagt er.
    »Wir haben es geschafft, ein paar Zelte zu retten«, sagt Collin. Ich zwinge mich zuzuhören, weiß aber, dass die Vögel eine wesentlich bessere Chance haben, hier durchzukommen, als wir. Sie werden es schon schaffen. »Wir sollten einen sicheren Platz für die Nacht finden und dann darüber nachdenken, wo wir hingehen.«
    Ich bleibe mit Renny, Ned und seinen Kindern zurück, während Collin und Finn den Jeep nehmen, um einen guten Platz auszukundschaften, wo wir die Zelte aufschlagen können. Alle sind elend und erschöpft, und ich habe das Gefühl, wir werden nicht weit kommen. Jedenfalls nicht heute Nacht. Evan und Mikey verhalten sich still, zu still für kleine Kinder. Ich sehe sie durch den Nebel wandern, verloren ohne ihre Mutter und erstarrt von dem Schrecken, dem sie gerade entronnen sind. Ted kommt zu mir herüber und lässt Lydia allein, die Abstand hält wie ein distanzierter und gefürchteter Direktor, der einen Sitzungssaal voller Fremder niederstarrt. Ted nimmt meine Hand und drückt sie, wischt sich das Haar aus dem Gesicht und von der Brille und betrachtet mich eindringlich. Ich sehe, wie er das Blut auf meinen Kleidern, meinen Händen, unter meinen Fingernägeln registriert.
    Er nimmt mich in die Arme, und ich zucke zusammen.
    »Wurdest du verletzt?«, fragt er mit gesenkter Stimme. Die dunklen Flecken seiner Augenbrauen haben sich über dem Rand seiner Brille vereinigt.
    »Mir geht’s gut. Bloß eine Prügelei«, antworte ich.
    »Eine richtige, blutige Prügelei?«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Hey, du musst nicht darüber reden. Nicht, wenn du nicht willst«, murmelt Ted. Ich höre heraus, dass mein Schweigen ihn verletzt. Er tritt mit der Spitze seines Turnschuhs in den Dreck.
    »Ich erzähl es dir später«, sage ich freundlich. »Ich will nur jetzt nicht daran denken.«
    Es wird kalt, und wir kuscheln uns aneinander. Mit einer kleinen Grimasse der Befriedigung nehme ich zur Kenntnis, dass Lydia auch friert und niemand sie einlädt, zu uns zu kommen. Nun ist es raus, ich bin ein Ungeheuer. Andererseits, wenn man schon friert, ist es nicht unbedingt ratsam, die Eiskönigin zum Kuscheln zu bitten. Ich würde lieber in einem Grab schlafen.
    Als wir so zitternd zusammenstehen, werde ich das Gefühl nicht los, diesen Park zu kennen. Ich frage mich, ob ich in der Nähe meines Hauses bin, ob meine Mom nicht weit entfernt ist, in unserem Keller aushält, bewaffnet mit einem Brecheisen, und sich von Dosenfutter ernährt.
    Collin und Finn kommen zehn Minuten später wieder und stoppen ihr Fahrzeug mit einem dramatischen Schlenker. Sie springen heraus. Finns roter Kopf hüpft hinter Collins dunklem auf und ab, und sie gestikulieren in Richtung des Hügels hinter uns. Er ist nicht sonderlich steil, hat aber eine klare Kuppe. Oktobernebel bildet sich, trägt Dunst heran, der direkt in die Knochen dringt. Ich kann es nicht erwarten, mich hinzulegen, auszuruhen, mich mit Dapper einzurollen und so lange zu schlafen, wie ich mag. Niemand stellt Collins und Finns Beschluss in Frage. Er erscheint wie ein profunder Gerichtsentscheid, und niemand hat

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