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Sie nennen es Leben

Titel: Sie nennen es Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Pilarczyk
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werden, in denen weibliche Föten millionenfach getötet werden und Ehebrecherinnen der Tod durch Steinigung droht.
    Gleichzeitig ist McNair auch vom Umkehrschluss überzeugt: Wo Pornos verbreitet sind und eine vielfältige sexuelle Kultur herrscht, seien auch Frauenrechte stärker verankert, schreibt er in seinem Buch » Striptease Culture « . Ist Pornografie also kein Indikator für Frauenfeindlichkeit– sondern vielmehr für Feminismus?
    Die Kultur der Schlüpfrigkeit und ihre Vorreiter
    Maxi ( 18 ) und Marie ( 19 ) fühlen sich wohl in ihren Körpern. So wohl, dass sie sogar bereit sind, sich fast einer halben Million Menschen nackt zu zeigen. Beide haben sich die Scham rasiert: Bei Marie sind die Haare so kurz gestutzt, dass man ihre inneren Schamlippen sieht. Maxi ist im Schritt komplett enthaart. » Ich stehe nur auf rasierte Mädchen « , sagt der Kölner.
    So präsentieren sich die beiden Teenager aber nicht im Internet, sondern in der » Bravo « – mit über 440 000 verkauften Exemplaren in der Woche immer noch die meistgelesene Jugendzeitschrift in Deutschland. Bis zu 200 Bewerbungen im Jahr erhält die » Bravo « für ihre Rubrik » Bodycheck « . Darin erscheint jeweils ein Bild von einem nackten Jungen und einem nackten Mädchen, um über den menschlichen Körper aufzuklären. 2001 bemerkte die Redaktion schließlich einen neuen Trend: Die Jugendlichen, die zum Fotoshooting erschienen, hatten immer öfter ihren Intimbereich rasiert. Seit 2002 überwiegen Rasur oder Totalrasur.
    Heute rasiert sich die Hälfte aller Frauen zwischen 18 und 25 Jahren ihr Geschlecht, bei den Männern ist es ein Viertel. Junge Deutsche liegen damit weit über dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung: Hier greifen nur etwas mehr als 18 Prozent zu Rasierer, Wachsstreifen oder Enthaarungscreme.
    Woher dieser Trend zu » unten ohne « kommt? Höchstwahrscheinlich aus der Porno-Branche. Dort wird von der überwältigenden Mehrheit gewachst und rasiert. Gerade von den Darstellerinnen wird die Komplettenthaarung erwartet, denn dann kann die Kamera ein wenig mehr von ihrem versteckten Geschlecht aufnehmen.
    Bei Jugendlichen sind die Bilder der haarlosen Vulven und Penisse teils direkt über Internetpornos angekommen, teils haben sie es über die klassischen Medien in die Jugendzimmer Deutschlands geschafft. In der Serie » Sex and the City « lässt sich Hauptfigur Carrie zur Primetime einen » Brazilian « machen, also eine Komplettenthaarung im Schambereich vornehmen. Als Britney Spears im November 2006 ohne Unterhose aus einem Auto steigt, zeigt die » Bild « -Zeitung ein Foto davon auf ihrer Titelseite– ein schwarzer Balken überdeckt die offensichtlich haarlose Vagina knapp.
    Â» Porno-Chic « nennt man die Ästhetik, die auch das Styling des Intimbereichs beinhaltet. Bei Frauen gehören zu dem Look oft knappe Oberteile, enge Shorts oder kurze Röcke, Sonnenbank-Bräune und pralle Lippen, die mit Lipgloss zum Glänzen gebracht werden. Ob man dann schon wie die Lieblingsgespielin von » Playboy « -Chef Hugh Hefner aussieht, kann man auf dem Jugendsender Viva in der Dokusoap » The Girls of the Playboy Mansion « abgleichen. Bei Männern sind die Ansprüche nicht so klar definiert, am ehesten gehören ein durchtrainierter Oberkörper und präzise gestylte Haare dazu.
    Porno-Chic ist aber nicht dasselbe wie Porno. Bei Porno steht die Befriedigung von sexuellen Bedürfnissen im Mittelpunkt. Körper und Sextechniken werden vorgeführt, damit der Pornokonsument möglichst zügig zum Orgasmus kommt. Porno-Chic dagegen nimmt das Körperbild der Pornografie auf und überträgt es in nicht-pornografische Bereiche– zum Beispiel ins Hauptabendprogramm des Fernsehens oder in die Klatschzeitschriften. Wer die » InTouch « durchblättert oder in die ProSieben-Sendung » Sommermädchen « reinzappt, kommt um Frauen, deren Brüste aus knappen Tops quellen und die kein Problem damit haben, wenn ihnen eine TV-Kamera in den Schritt filmt, nicht herum. Ihre ausgestellten Körper dienen aber nicht der sexuellen Befriedigung. Sie fungieren nicht– um es hart auszudrücken– als Wichsvorlage.
    Vielmehr signalisieren die » hardbodies « aus den Frauenzeitschriften oder den Reality-TV-Shows, dass die Frauen das Wertesystem der Pornoindustrie

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