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Sie nennen es Leben

Titel: Sie nennen es Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Pilarczyk
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verinnerlicht haben. Porno gehört zu den wenigen Branchen, in denen Frauen mehr verdienen als Männer– wobei sie ihr Geld natürlich mit ihrem Körper und nicht mit ihren intellektuellen Leistungen machen.
    Frauen, die sich im Porno-Chic stylen, tragen ebenfalls zur Schau, dass das Wichtigste an ihnen ihr Körper ist. Sie wissen, dass sie damit Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Britney Spears und Lindsay Lohan haben es schließlich vorgemacht. Sie haben es mit » crotch shots « ihrer entblößten Vaginen statt neuer CD oder neuem Film in die Schlagzeilen geschafft.
    Vorreiter dieses Trends war allerdings Paris Hilton. Die Hotelerbin war ein B-Promi, bis 2004 ein Video von ihr auftauchte, das sie beim Sex mit ihrem damaligen Freund Rick Salomon zeigte. Doch statt ihrer Medienkarriere einen Knick zu verpassen, brachte das Sextape Hilton den Durchbruch: Sie stieg in den Rang einer A-Prominenten auf und durfte später auf MTV in einer Castingshow ihre » neue beste Freundin « suchen. Die Mädchen standen dabei Schlange, um näher an der Frau zu sein, deren gelangweiltes Gesicht man beim Sex » doggy style « im Internet sehen kann.
    In Deutschland durchlief die ehemalige » Germany’s Next Topmodel « -Kandidatin Gina-Lisa Lohfink fünf Jahre später die verschiedenen PR-Stationen von Paris Hilton samt Castingshow für die vermeintlich beste Freundin. Als schließlich auch ein Sextape von Lohfink auftauchte, wandte sich die Öffentlichkeit aber gelangweilt ab: Sextapes haben mittlerweile den Ruf, PR-Gags zu sein, die sich schon etwas abgenutzt haben.
    Als Aufstieg der » raunch culture « (Kultur der Schlüpfrigkeit) bezeichnet die US-Journalistin Ariel Levy diesen Wertewandel. Die Redakteurin des » New Yorker « hat ein sehr kluges Buch darüber geschrieben, warum immer mehr Frauen und Mädchen wie Pornostars aussehen wollen. » Female Chauvinist Pigs « (Weibliche Macho-Schweine) heißt es und erzählt davon, wie sich Frauen klischeehaften Vorstellungen von Schönheit und Sexualität unterwerfen und dies trotzdem als Befreiung und Machtgewinn empfinden. Demnach glauben diese Frauen, nicht mehr um Frauenrechte kämpfen zu müssen, da eigentlich alles erreicht wäre– zum Beispiel auch das Recht, ein ebenso ausschweifendes Leben wie die Männer führen zu können.
    Levy überzeugt die Deutung von Porno-Chic als Emanzipation nicht. » Die Kultur der Schlüpfrigkeit ist im Wesentlichen nicht fortschrittlich, sie ist im Wesentlichen kommerziell. « Mit den Frauenkörpern würden Fernsehsendungen bestückt, Videos verkauft oder Websites beworben. Aber an Einfluss oder Macht würden die Frauen, die den öffentlichen Striptease wagen, nicht gewinnen. » Viele Frauen, seien sie 14 oder 40 , scheinen heutzutage vergessen zu haben, dass sexuelle Macht nur eine einzige, sehr spezielle Form von Macht ist. Und darüber hinaus: Wie eine Stripperin oder eine Hooters-Kellnerin oder ein Playboy-Bunny auszusehen, ist nur eine einzige, sehr spezielle Art, seiner Sexualität Ausdruck zu verleihen. «
    Was ist guter Sex, was ist böser Sex?
    Die Verbreitung von Porno-Chic ist nur eine Seite der zunehmenden Sexualisierung der Öffentlichkeit. Wie das Beispiel des Starr-Reports gezeigt hat, wird Sexualität auch auf anderen Wegen zum öffentlichen Thema– und manchmal auch mit sehr positiven Effekten. Als zum Beispiel HIV und AIDS in den 80 er Jahren entdeckt wurden, wurde plötzlich öffentlich über Kondome, Darkrooms und Analsex diskutiert. Schamloses Reden war in diesem Fall sehr wichtig, weil erst so die breitenwirksame Aufklärung über » safer sex « möglich wurde. Gleiches gilt auch für die weibliche Genitalverstümmelung. In Gesellschaften, in denen Sexualität kein öffentliches Thema ist, können solche fürchterlichen Praktiken auch nicht öffentlich skandalisiert werden.
    Brian McNair geht deshalb so weit zu sagen, dass Porno-Chic erst durch die sexuelle Liberalisierung im Zuge der ’ 68 er-Proteste möglich wurde. » Anfang der 90 er waren die zweite Welle der Frauenbewegung und die Schwulenbefreiung fast zwanzig Jahre alt « , schreibt der Soziologe. » ›Sex talk‹ war deshalb weit verbreitet und die Leute allgemein empfänglicher für Porno-Chic. « Er ist der Überzeugung, dass die Sexualisierung der Öffentlichkeit auch deren

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