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Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Strzoda
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Taschentuch bearbeitete, streifte mein Blick die breite gepflasterte Einfahrt durch die große Glasfensterscheibe des Heim-Cafés und blieb dann an unserem Rettungswagen hängen, der unmittelbar davor geparkt war. Die Heckklappe war leicht geöffnet. Ein Fuß verschwand hinten im Auto, und die Tür schlug wie von selbst zu.
    »Ich glaube, da ist gerade jemand in unseren RTW eingestiegen ...«
    »Du willst mich wohl verkohlen. Wer steigt denn freiwillig in einen Rettungswagen ein«, meinte Lenny ungläubig und nippte an seinem Kaffee.
    »Das weiß ich doch nicht. Vielleicht will da einer ein paar Medikamente abgreifen.«
    Ab und an kommt es tatsächlich vor, dass Retter bestohlen werden. Meist von irgendwelchen Drogenabhängigen, die die Vergesslichkeit mancher Sanitäter, wenn es um das Abschließen des Fahrzeugs geht, ausnutzen. Während der Rettungswagen vor einem Krankenhaus steht und die Retter den Patienten hineinbringen, ergreifen die Junkies ihre Chance. Sie versuchen, Valium, Ketamin und andere drollige Partydrogen zu ergattern, um sich mit diesem Gratiseinkauf den Abend zu versüßen. Einmal hatte Lenny einen Junkie auf frischer Tat ertappt. Allerdings hatte sich schnell herausgestellt, dass der betäubungsmittelabhängige Mitbürger nicht nur süchtig, sondern auch noch dämlich war. Denn er hatte versucht, sich mit Lasix einzudecken. Lasix bewirkt aber keinen Drogenrausch, sondern eine forcierte Diurese. Mit anderen Worten: Der Junkie hätte sich die Seele aus dem Leib gepinkelt. Lenny erwies sich jedoch als Spielverderber und rief lediglich die Polizei. Diese hat den Junkie festgenommen und abgeführt.
    Diesmal hatten wir vielleicht wieder einen Junkie, Drogendealer oder einfach nur einen Spaßvogel am Hals.
    »Wir sollten die Polizei rufen.«
    »Bis die hier sind, ist der doch futsch.«
    »Vielleicht will uns einer kidnappen und Lösegeld erpressen.«
    »Dann ist der bei uns absolut falsch. Wir sind Firmeneigentum und deshalb jederzeit ersetzbar. Schon vergessen, dass du einen Sklavenvertrag unterschrieben hast?«
    Lenny, der den Fleck an seiner Jacke bereits vergessen hatte, kippte den letzten Schluck Kaffee hinunter, und ich ließ mein zur Vanillesoße gewordenes Softeis stehen.
    Wir traten durch die Glasschiebetür und schlichen auf den Rettungswagen zu, der seitlich zu uns stand. Mittlerweile hatten auch die Bewohner des Altenheimes bemerkt, dass da draußen irgendetwas vor sich ging. Und da diese Aktion offenbar eine willkommene Abwechslung zum tristen Altenheimalltag darstellte, wurde das Café als Zuschauertribüne von den Bewohnern belagert. Die Flüsterpost funktionierte bestens: Alles, was sich mit oder ohne Gehhilfe fortbewegen konnte, fand sich in Sekundenschnelle dort ein.
    Geduckt und in bester James-Bond-Manier standen wir vor der seitlichen Schiebetür des Rettungswagens und waren auf das Schlimmste gefasst. Die Schweißperlen standen auf Lennys Stirn, sein grau meliertes Haar glitzerte in der Sonne. Ich legte meine Hand an den Griff der Schiebetür und deutete Lenny mit der anderen Hand den finalen Countdown von drei abwärts an.
    Dann flog die Schiebetür auf und knallte gegen den Türstopper. Lenny wollte in den Rettungswagen springen, trat allerdings daneben und geriet ins Stolpern. Drüben im Café brachen einige Alte in schallendes Gelächter aus, das für uns jedoch unhörbar war. Das Wippen ihrer Oberkörper hinter der Scheibe war aber eindeutig.
    Die Operation RTW-Sturm endete für Lenny, der sich gerade noch mit beiden Armen abstützen konnte, am Boden vor dem Medikamentenschrank. Ich dagegen stand mit geballten Fäusten kampfbereit auf der Trittstufe im Innenraum. Die Haut an meinen Knöcheln schimmerte weiß und war zum Zerreißen gespannt.
    Im Patientenstuhl saß ein Opa in seiner dunkelblauen Sommerjacke und einer kunstvoll verzierten Prinz-Heinrich-Mütze, wie alte Menschen sie nun mal gerne tragen. Den Gurt hatte er vorschriftsmäßig angelegt. Augenscheinlich hatte er keine Waffe und gehörte in das Altenheim hinter uns. Die Szene erstarb in einem kurzen Verharren, als hätte jemand die Pause-Taste eines Videorekorders gedrückt. Ich blickte den Opa an, dessen Augen so weit aufgerissen waren, dass sie einen unnatürlich großen Anteil des Gesichts auszumachen schienen. Lenny sah mich an. Der Opa fixierte Lenny. Einige Sekunden später brach ich das Schweigen: »Was machen Sie denn hier?«
    »Nehmen Sie mich mit!«
    »Was?« Lenny hatte sich mittlerweile aufgerappelt. Zum

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