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Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Strzoda
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den Garten in das Wohnzimmer und sahen überall gelbe Zettel mit immer derselben Aufschrift. Die Mutter rang vergeblich um Fassung und schrie, dass wir ihren Thomas aus seinem Zimmer herausholen sollten, da er sonst sterben würde. Damit hatte sie natürlich völlig recht.
    Weinkrämpfe schüttelten die Mutter, die sich am Geländer festhielt und nach unten sah. In der Ferne ertönten die Martinshörner der Feuerwehr.
    »Scheiße. Da unten liegt einer«, sagte ich zu Lenny, der an der geöffneten Terrassentür stehen geblieben war, »ist das CO-Messgerät unterwegs?«
    »Ja. Wir kriegen ihn so nicht hoch. Feuerwehr mit Atemschutz ist auch unterwegs.«
    »Ich hoffe, die Zeit reicht.«
    »Holt ihn doch da raus! Er stirbt«, schrie die Mutter.
    »Ihr könnt doch kurz runter. Nur ganz kurz und dabei die Luft anhalten. Das muss gehen!«, mischte sich ein Nachbar ein.
    »Niemand betritt den Keller«, hielt ich dagegen und stellte mich in den Treppenabgang.
    »Aber er stirbt«, kreischte die Mutter.
    »Wer hier runtergeht, ist in Lebensgefahr!«, fuhr ich fort. Der Nachbar schüttelte den Kopf. Thomas lag auf dem Bauch am Fuß der Wendeltreppe. So, als ob er es sich im letzten Moment doch noch anders überlegt hätte. Ich stand oben am Geländer und blickte immer wieder hinunter, ohne irgendwelche Lebenszeichen bei Thomas erkennen zu können. Der Weg war so kurz, und doch konnte ich nichts tun. Ganz kurz erwog ich, einfach nach unten zu gehen, Thomas zu schultern und ihn nach oben zu bringen. Dämlich. Selbstgefährdende Gedanken. Doch mein Verstand siegte – ich ließ es bleiben. Eigentlich hätten wir die Wohnung überhaupt nicht betreten dürfen. Kohlenmonoxid steigt in der Luft zwar äußerst langsam nach oben, doch wussten wir nicht, wie lange Thomas schon unten lag. Die geöffneten Türen und Fenster sorgten jedoch für ausreichenden Durchzug.
    Wir hatten bereits alles vorbereitet. Das Tragetuch aus Plastik lag im Wohnzimmer. Der Absauger und ein Beatmungsbeutel standen parat, und die Voranmeldung in der Druckkammer war von der Leitstelle erledigt worden. Die sogenannte Überdruckbeatmung mit hundertprozentigem Sauerstoff hilft dabei, das Kohlenmonoxid wieder vom Hämoglobin zu verdrängen. Auch hier kam es entscheidend auf den Faktor Zeit an.
    Jetzt betraten mehrere Feuerwehrleute das Zimmer, sie hatten die Atemschutzmontur angelegt und waren bereit für weitere Instruktionen. Ich teilte dem ersten Feuerwehrmann mit, dass der Typ da unten schnellstens nach oben gebracht werden musste. Der Feuerwehrmann zögerte nicht lange, schnappte sich seinen Kollegen und stürmte die Wendeltreppe nach unten. Der Raumluftdetektor der Feuerwehr zeigte eine lebensgefährliche Konzentration des Giftes im Souterrain an.
    Zu den geschätzten 50 Kilogramm Einsatzkleidung, Sauerstoffflaschen und diversen Geräten kam jetzt für die Feuerwehrmänner noch das Gewicht von Thomas dazu. Ich allein hätte es nicht geschafft, ihn hochzuschleppen. Denn mit knappen zwei Metern wies der gut durchtrainierte junge Mann immerhin fast 100 Kilogramm Körpergewicht auf. Die Feuerwehrmänner atmeten schwer und schnell. Mit den Sauerstoffflaschen stießen beide Männer immer wieder gegen das Geländer.
    »Okay, hier aufs Tragetuch«, wies ich die beiden Männer an, denen der Schweiß aus allen Poren trat und die hochroten Köpfe hinabperlte. Thomas atmete flach und hatte eine schweinchenrosafarbene Gesichtsfarbe. So wie alle Menschen, die sich mit Kohlenmonoxid vergiftet haben.
    Ich half ihm beim Atmen und beatmete ihn unterstützend mit reinem Sauerstoff. Das Pulsoximeter zeigte den trügerischen Sättigungswert von 98 Prozent an. Klar – das Messgerät konnte nicht zwischen mit Sauerstoff oder mit Kohlenmonoxid beladenen roten Blutkörperchen unterscheiden. Wir benötigten daher zusätzlich zur Raumluftmessung das Messgerät für Kohlenmonoxid im Blut. Kaum war dieser Gedanke ausgesprochen, betrat auch schon der zuständige Kollege das Wohnzimmer. In der Hand hielt er das kleine rote Kästchen mit der schwarzen Randgummierung. »CO«, stand in großen Lettern darauf. Das Display zeigte den unglaublichen Wert von 33 Prozent an. Normal ist nur ein sehr geringer Anteil an Kohlenmonoxid im Blut. Bei Rauchern kann die Konzentration schon mal auf sieben bis acht Prozent ansteigen. Ab zehn Prozent treten Symptome wie Kopfschmerzen und Übelkeit auf. Wenn der Wert im Display des CO-Messgerätes stimmte, war Thomas tatsächlich in akuter Lebensgefahr. Die

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