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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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kommunizierte er mit Fremden und Freunden in Chatrooms. Via Facebook und MySpace pflegte er hier die Kontakte zu Freunden aus dem Internet und aus der realen
Welt. Vor einiger Zeit hatte er auch ein bisschen Online-Poker gespielt, was ihm dann aber, zu Mikes und Tias Freude, schnell zu langweilig geworden war. Er sah sich auf YouTube komische Kurzfilme, Filmtrailer, Musikvideos und ja, auch schlüpfrige Sachen an. Und er hatte sich auch an Rollenspielen und Simulationen beteiligt  – oder wie diese Programme hießen, in die manche Menschen genauso tief versinken konnten wie Tia in ein Buch, wobei sie nicht wusste, ob das gut oder schlecht war.
    Dazu kamen noch diese ganzen Sexsachen  – und die trieben sie zur Weißglut. Man wollte alles richtig machen und den Informationsfluss für die Kinder kontrollieren, hatte aber absolut keine Chance. Sobald man morgens das Radio einstellte, schwätzten die Moderatoren schon über Titten, Untreue und Orgasmen. Sobald man eine Zeitschrift aufschlug oder eine Fernsehserie einschaltete  – tja, sich über die ewige Fleischbeschau zu beklagen war passé, aber wie sollte man dann damit umgehen? Sollte man seinem Kind erzählen, dass das falsch war? Aber was genau war daran eigentlich falsch?
    Kein Wunder, dass die Menschen sich nach klaren Antworten wie sexueller Abstinenz vor der Ehe sehnten, aber erstens funktionierte das sowieso nicht, und zweitens wollte man den Kindern ja auch nicht vermitteln, dass Sex irgendwie falsch, böse oder gar tabu war  – und trotzdem sollten sie noch nicht damit anfangen. Man wollte ihnen vermitteln, dass Sex eine gute und gesunde Sache war  – sie es aber nicht tun durften. Wie sollen Eltern diesen Drahtseilakt bewältigen? Seltsamerweise erwarteten wir von unseren Kindern, dass sie die gleiche Einstellung vertraten, als ob unsere die beste und vernünftigste wäre  – obwohl unsere Eltern in dieser Beziehung solchen Mist gebaut hatten. Aber wieso? Waren wir genau richtig erzogen worden, oder hatten wir diese Balance irgendwie in uns selbst gefunden? Würden unsere Kinder das auch tun?
    »Hey, Mom.«

    Jill stand in der Tür. Sie sah ihre Mutter fragend an, weil sie, wie Tia annahm, wohl überrascht war, sie in Adams Zimmer zu sehen. Einen Moment lang war es ganz still. Diese Stille hielt vielleicht gerade mal eine Sekunde, trotzdem hatte Tia den Eindruck, dass ein kalter Windhauch durchs Zimmer wehte.
    »Hey, Schatz.«
    Jill hatte Tias Blackberry in der Hand. »Darf ich BrickBreaker spielen?«
    Jill spielte unglaublich gerne die Spiele auf dem Blackberry ihrer Mutter. Normalerweise hätte Tia jetzt kurz geschimpft, weil Jill sich den Blackberry schon genommen und erst hinterher gefragt hatte. Wie die meisten Kids machte Jill das fast immer so. Sie lieh sich Tias Blackberry, ihren iPod oder benutzte den Computer im Schlafzimmer, weil ihrer nicht so schnell war, oder sie ließ das schnurlose Telefon in ihrem Zimmer liegen, so dass Tia es erst suchen musste.
    Aber es war einfach nicht der richtige Zeitpunkt für Tias Standardvortrag über verantwortliches Handeln.
    »Natürlich. Aber wenn es klingelt, bring ihn mir bitte sofort.«
    »Okay.« Jill sah sich im Zimmer um. »Was machst du hier?«
    »Ich schau mich um.«
    »Wonach suchst du?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht nach einem Hinweis, wo Adam sein könnte.«
    »Das wird doch alles wieder gut, oder?«
    »Natürlich, mach dir keine Sorgen.« Als ihr dann wieder einfiel, dass das Leben weiterging und sie sich außerdem nach ein bisschen Normalität sehnte, fragte Tia noch: »Hast du Hausaufgaben auf?«
    »Hab ich schon fertig.«
    »Gut. Ist sonst alles in Ordnung?«
    Jill zuckte die Achseln.
    »Willst du über irgendwas reden?«

    »Nein, mir geht’s gut. Ich mach mir nur Sorgen wegen Adam.«
    »Ich weiß, mein Schatz. Wie läuft’s denn so in der Schule?«
    Wieder ein Achselzucken. Dumme Frage. Im Lauf der Jahre hatte Tia ihren beiden Kindern diese Frage mindestens tausendmal gestellt, und nie, nicht ein einziges Mal, hatte sie eine andere Antwort gekriegt als ein Achselzucken, ein knappes »Gut«, »Okay« oder »Wie immer«.
    Tia verließ das Zimmer ihres Sohns. Da war nichts zu finden. Außerdem erwartete der Ausdruck des E-SpyRight-Berichts im Schlafzimmer auf sie. Sie schloss die Tür und fing an zu lesen. Heute Morgen hatte Adam E-Mails von seinen Freunden Clarke und Olivia bekommen, die aber ziemlich kurz gehalten waren. Beide wollten wissen, wo er war, und erwähnten,

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