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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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näher, bis er nur noch ein paar Zentimeter von Carsons gebrochener Nase entfernt war, und sagte: »Ein feiger Haufen Wichser hat sich gestern, als ich nicht hingeguckt habe, auf mich gestürzt. Das ist mit meinem Gesicht passiert.«
    Carson versuchte weiterhin, den starken Mann zu markieren. »Ja, Pech gehabt.«
    »Oh, danke, aber jetzt kommt die Pointe. Der größte Loser von diesen Wichsern hat von mir dann doch noch so einen auf die Nase gekriegt, dass die gebrochen ist.«
    Carson zuckte die Achseln. »Einen Glückstreffer kann man immer mal landen.«
    »Stimmt. Vielleicht möchte der feige Wichser es ja noch mal versuchen? Mann gegen Mann. Von Angesicht zu Angesicht.«
    Der Anführer der Gruftis sah sich um und vergewisserte sich, dass seine Leute da waren. Die anderen Gruftis nickten, rückten Metallspangen zurecht, lockerten sich die Finger und wollten mit diesem Getue zeigen, dass sie bereit waren.
    Mo ging auf den großen Grufti zu und packte ihn an der Kehle, bevor irgendjemand reagieren konnte. Der Grufti wollte etwas sagen, was durch Mos festen Griff aber erstickt wurde.
    »Wenn sich jemand in den Kampf einmischt«, sagte Mo zu ihm, »tu ich dir weh. Nicht dem, der aus der Reihe tanzt. Nicht dem, der sich einmischt, sondern dir. Ich werde dir sehr weh tun, klar?«
    Der große Grufti nickte langsam.
    Mike sah Carson an. »Bist du so weit?«

    »Hey, ich will doch gar nichts von Ihnen.«
    »Ich aber von dir.«
    Mike gab ihm einen Schubs  – wie bei einem Streit auf dem Schulhof. Herausfordernd. Die anderen Gruftis wirkten verwirrt, wussten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Mike schubste Carson noch einmal.
    »Hey!«
    »Was habt ihr mit meinem Sohn gemacht?«
    »Hö? Mit wem?«
    »Mit meinem Sohn, Adam Baye. Wo ist er?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Ihr habt mich gestern Abend überfallen, ja? Wenn du nicht die Tracht Prügel deines Lebens kassieren willst, dann rede jetzt.«
    Dann sagte eine andere Stimme: »Keine Bewegung! FBI!«
    Mike blickte auf. Vor ihm standen die beiden Männer mit den Baseballkappen, die sie beschattet hatten. Beide hatten Pistolen in der einen, Polizeimarken in der anderen Hand.
    Ein Agent sagte: »Michael Baye?«
    »Ja?«
    »Darryl LeCrue, FBI. Wir müssen Sie bitten mitzukommen.«

26
    Als Betsy Hill sich verabschiedet hatte, schloss Tia die Haustür und ging nach oben. Sie schlich an Jills Zimmer vorbei in das Zimmer ihres Sohns. Sie zog Adams Schreibtischschublade heraus und durchwühlte seine Sachen. Die Spionage-Software auf den Computer zu spielen war ihr vollkommen richtig erschienen  – warum hatte sie jetzt das Gefühl, etwas Falsches zu tun? Sie fing an, sich selbst zu hassen. Ihr ganzes Verhalten, das Eindringen in die Privatsphäre ihres Sohns, jetzt kam ihr das alles falsch vor.

    Trotzdem suchte sie weiter.
    Adam war ein Kind. Immer noch. In der Schublade war seit Ewigkeiten nicht mehr aufgeräumt worden, daher stieß sie, fast wie bei einer archäologischen Ausgrabung, auf unzählige Überbleibsel aus vergangenen »Ären« ihres Sohns: Baseballsammelbilder, Pokemon-Karten, Yu-Gi-Oh, ein Tamagotchi, dessen Batterie schon lange leer war, Crazy Bones  – all die topaktuellen Dinge, die Kinder eine Zeit lang sammelten und dann links liegen ließen. Adam war mit den Sachen, die er damals unbedingt haben musste, besser umgegangen als viele andere Kinder. Er hatte weder nach immer mehr verlangt, noch sie sofort in die Ecke geschmissen, als sie nicht mehr angesagt waren.
    Sie schüttelte den Kopf. Sie lagen immer noch in seiner Schublade.
    Dazwischen lagen Kugelschreiber, Bleistifte und sein alter Zahnspangenbehälter. (Tia hatte ihn immer ermahnt, wenn er die Spange einmal nicht getragen hatte.) Anstecker von einem Disney-World-Besuch vor vier Jahren, alte Rangers-Eintrittskarten. Sie nahm die abgerissenen Eintrittskarten heraus und dachte an seinen freudig konzentrierten Gesichtsausdruck beim Angucken eines Eishockeyspiels. Dann fiel ihr ein, wie er und sein Vater ein Rangers-Tor gefeiert hatten  – sie waren aufgesprungen, hatten sich abgeklatscht und dann den albernen Torsong angestimmt, der im Prinzip nur aus den Worten »Oh, oh, oh« und rhythmischem Klatschen bestand.
    Dann fing sie an zu weinen.
    Reiß dich zusammen, Tia.
    Sie setzte sich an den Computer. Das war jetzt die Welt, in der Adam lebte. Im Zimmer eines Jugendlichen drehte sich alles um den Computer. Auf diesem Bildschirm spielte Adam die neuste Online-Version von Halo. Hier

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