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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Also nehmen wir doch mal an, dass Sie eine unternehmerische Ader hätten. Was würden Sie dann tun? Sie würden das System weiterentwickeln. Sie würden versuchen, einen Gewinn daraus zu machen. Sagen wir, Sie sind die Bank und kriegen einen Anteil vom Profit. Vielleicht würden Sie die Kids noch ermutigen, mehr Medikamente aus den Medizinschränken zu klauen. Sie könnten ihnen ja auch Ersatzpillen besorgen.«
    »Ersatzpillen?«
    »Klar. Wenn die Pillen weiß sind, na ja, dann legen Sie einfach ein paar Aspirin-Generika rein. Wer merkt das schon? Sie können auch Zuckerpillen besorgen, die im Prinzip keine andere
Funktion haben, als auszusehen wie andere Tabletten. Verstehen Sie? Das merkt doch keiner. Es gibt einen riesigen Schwarzmarkt für verschreibungspflichtige Medikamente. Damit lässt sich eine schöne Stange Geld verdienen. Aber da kommt wieder Ihr unternehmerischer Geist ins Spiel. Deshalb wollen Sie keine lächerlichen Hauspartys mit acht Jugendlichen. Sie brauchen die große Bühne. Sie wollen an hunderte, wenn nicht tausende Kids rankommen. Also sagen wir mal, einen Club voller Kids.«
    Jetzt verstand Mike. »Sie glauben, darauf hat sich der Club Jaguar spezialisiert?«
    Plötzlich fiel Mike ein, dass Spencer Hill mit aus dem Medizinschrank seiner Eltern geklauten Medikamenten Selbstmord begangen hatte. Es gab jedenfalls solche Gerüchte.
    LeCrue nickte und fuhr fort: »Und man könnte  – wenn man wirklich unternehmerisch denkt  – das Ganze sogar auf eine noch höhere Ebene bringen. Auf dem Schwarzmarkt haben alle Medikamente ihren Preis. Vielleicht liegt da noch ein bisschen Amoxicillin, das Sie nicht aufgebraucht haben. Oder Ihr Großvater hat noch ein paar Extra-Viagra im Haus. So genau hat das sowieso keiner im Auge, was, Doc?«
    »Kaum jemand.«
    »Genau, und wenn tatsächlich mal was fehlt oder so, na ja, dann schiebt man es wahrscheinlich darauf, dass man von der Apotheke beschummelt worden ist, dass man sich nicht mehr genau daran erinnert, wann man sie geholt hat, oder dass man zwischendurch eine außer der Reihe genommen hat. Es gibt fast keine Möglichkeit, darauf zu kommen, dass der Teenager im Haus sie geklaut hat. Sehen Sie, wie brillant das ist?«
    Mike wollte fragen, was das mit ihm oder Adam zu tun hatte, aber er verkniff es sich.
    LeCrue beugte sich näher an ihn heran und flüsterte: »Hey, Doc?«
    Mike wartete.

    »Wissen Sie, was die nächste Stufe auf dieser unternehmerischen Leiter wäre?«
    »LeCrue?« Das war Duncan.
    LeCrue sah sich um. »Was gibt’s, Scott?«
    »Das Wort gefällt Ihnen wohl. Unternehmerisch, mein ich.«
    »Das tut’s wirklich.« Er wandte sich wieder an Mike. »Gefällt es Ihnen auch, Doc?«
    »Ein tolles Wort.«
    LeCrue gluckste, als wären sie alte Freunde. »Jedenfalls findet ein cleverer, unternehmerisch denkender Jugendlicher immer Möglichkeiten, weitere Medikamente aus seinem Elternhaus abzuziehen. Wie? Vielleicht bestellt er die Folgelieferung einfach ein paar Tage früher. Wenn beide Eltern arbeiten und die Apotheke einen Lieferservice hat, kann man nach der Schule leicht vor den Eltern zu Hause sein. Und wenn die Eltern das Medikament dann nachbestellen wollen und nichts mehr kriegen, tja, dann denken sie auch wieder, dass der Apotheke ein Fehler unterlaufen ist oder sie sich verzählt haben. Merken Sie, wenn man erst einmal dabei ist, gibt es jede Menge Möglichkeiten, sich ein paar hübsche Dollar dazuzuverdienen. Das ist fast idiotensicher.«
    Mike ging die Frage, die sich daraus ergab, durch den Kopf: Hatte Adam so etwas gemacht?
    »Und wen sollen wir da überhaupt hochnehmen. Überlegen Sie mal. Das sind lauter reiche, minderjährige Jugendliche, die sich die besten Anwälte leisten können  – und die fragen uns dann, wer denn wann was genau getan haben soll. Sie haben verschreibungspflichtige, aber ansonsten legale Medikamente aus ihren Elternhäusern mitgenommen? Wen interessiert das? Verstehen Sie, was für leicht verdientes Geld das ist?«
    »Ich glaub schon.«
    »Sie glauben schon, Dr. Baye? Kommen Sie, hören Sie auf mit den Spielchen. Sie glauben das nicht. Sie wissen es ganz genau. Das System ist fast perfekt. Also, wissen Sie, wie wir in so einem
Fall normalerweise vorgehen? Wir wollen doch nicht die dummen Teenager vor Gericht zerren, die sich gelegentlich den Kopf zudröhnen. Wir wollen an den großen Fisch rankommen. Aber wenn der große Fisch hier clever ist, dann würde sie  – nehmen wir einfach mal an, dass es

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