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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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einer Straftat und dem Handel mit Betäubungsmitteln der Stufe zwei anklagen. Dafür wandert man eine ganze Weile in den Knast  – die Höchststrafe liegt bei zwanzig Jahren Bundesgefängnis. Aber wir haben kein Interesse an Ihrem Sohn. Wir wollen Rosemary McDevitt. Und vielleicht ist da ja ein Deal drin.«
    »Ich warte auf meinen Anwalt«, sagte Mike.
    »Perfekt«, sagte LeCrue. »Ihre charmante Anwältin ist nämlich gerade eingetroffen.«

29
    Vergewaltigt.
    Als Susan Loriman das Wort ausgesprochen hatte, herrschte nicht etwa Stille, vielmehr hatte Ilene Goldfarb ein Rauschen in den Ohren, außerdem schien der Luftdruck schlagartig abzunehmen, als ob das ganze Diner zu schnell an Höhe verlor.
    Vergewaltigt.
    Ilene Goldfarb wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte schon viele schlechte Nachrichten gehört, einen Großteil davon sogar selbst überbracht, aber das hatte sie absolut kalt erwischt. Schließlich entschied sie sich für die klassische Allzweck-Zeitschinder-Floskel.

    »Das tut mir leid.«
    Susan Lorimans hatte ihre Augen nicht nur geschlossen, sie hatte sie wie ein Kind zugekniffen. Ihre Hände umfassten immer noch schützend die Teetasse. Ilene überlegte, ob sie Susan berühren sollte, entschied sich aber dagegen. Die Kellnerin kam auf sie zu, aber Ilene schüttelte kurz den Kopf. Susan hatte die Augen immer noch zusammengekniffen.
    »Ich hab Dante nie etwas davon erzählt.«
    Ein Kellner ging mit einem klappernden Tablett vorbei. Eine Frau am Nachbartisch versuchte zu lauschen, als Ilene ihr aber einen finsteren Blick zuwarf, wandte sie sich ab.
    »Ich hab überhaupt niemandem davon erzählt. Als ich schwanger wurde, dachte ich, dass es von Dante war. Auf jeden Fall hab ich’s gehofft. Und als Lucas dann auf die Welt kam, hab ich es womöglich gewusst. Aber ich hab das dann verdrängt. Ich hab einfach mein Leben fortgesetzt. Das ist lange her.«
    »Sie haben die Vergewaltigung nicht angezeigt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Sie dürfen es niemandem erzählen. Bitte.«
    »Okay.«
    Sie saßen sich schweigend gegenüber.
    »Susan?«
    Sie blickte auf.
    »Ich weiß, dass es lange her ist …«, fing Ilene an.
    »Elf Jahre«, sagte Susan.
    »Natürlich. Aber Sie sollten trotzdem überlegen, ob Sie nicht noch Anzeige erstatten.«
    »Was?«
    »Wenn er gefasst wird, können wir ihn testen. Vielleicht sitzt er auch schon irgendwo im Gefängnis. Vergewaltiger hören meistens nicht nach einer Tat auf.«
    Susan schüttelte den Kopf. »Wir veranstalten diese Organspendenrallye in der Schule.«

    »Wissen Sie, wie klein die Chance ist, dass wir einen genau passenden Spender finden?«
    »Es muss einfach klappen.«
    »Susan, Sie müssen zur Polizei gehen.«
    »Bitte hören Sie auf damit.«
    Und dann ging Ilene ein eigenartiger Gedanke durch den Kopf. »Kennen Sie Ihren Vergewaltiger?«
    »Was? Nein.«
    »Sie sollten wenigstens einmal ernsthaft über meine Frage nachdenken.«
    »Der wird nicht gefasst, okay? Ich muss los.« Susan glitt aus der Nische und stellte sich vor Ilene. »Wenn es die Möglichkeit gäbe, meinem Sohn zu helfen, würde ich das tun. Aber die gibt es nicht. Bitte, Dr Goldfarb. Unterstützen Sie uns bei der Organspendenrallye. Helfen Sie mir bei der Suche nach anderen Möglichkeiten. Bitte, Sie kennen jetzt die Wahrheit. Sie müssen es dabei belassen.«

    In seinem Klassenraum wischte Joe Lewiston die Tafel mit einem Schwamm ab. Der Beruf des Lehrers hatte sich in den letzten Jahren sehr verändert, unter anderem waren auch die grünen Tafeln durch neue, trocken abwischbare, weiße ersetzt worden, aber Joe hatte darauf bestanden, dieses Überbleibsel aus der vergangenen Generation zu behalten. Der Staub, das Klacken der Kreide und das Abwischen mit einem Schwamm waren für ihn eine Reminiszenz an die Vergangenheit, die ihm immer wieder ins Gedächtnis rief, wer er war und was er tat.
    Joe wischte die Tafel mit dem riesigen, etwas zu nassen Schwamm ab, so dass Wasser die Tafel hinunterlief. Er jagte den kleinen Kaskaden mit dem Schwamm hinterher, wischte möglichst gerade auf und ab und versuchte, sich ganz dieser einfachen Aufgabe zu widmen.

    Fast hätte es funktioniert.
    Er nannte diesen Klassenraum »Lewiston Land«. Das gefiel den Kids, allerdings, wie er ehrlich zugeben musste, nicht einmal halb so gut wie ihm selbst. Er legte großen Wert darauf, anders zu sein als viele seiner Kollegen, nicht nur vor der Klasse zu stehen, den Stoff auswendig zu lernen und ihn so gelangweilt

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