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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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es von Anfang an gewusst. Sie hatte nach Erklärungen für das Unerklärliche gesucht, und vielleicht hätte sie irgendwann auch eine gefunden, aber die Menschen und ihr Verhalten waren normalerweise viel komplexer. Es gab Zwillinge, die beide genau gleich erzogen worden waren, und trotzdem wurde der eine am Ende lieb und nett und der andere ein Mörder. Manche Menschen sprachen da einfach von einem Systemfehler, sagten, dass die Erbanlangen wichtiger waren als die Erziehung, aber manchmal
lag es nicht einmal daran  – manchmal war es nur eine zufälliges Begebenheit, die das Leben eines Menschen grundsätzlich veränderte, etwas, das in der Luft lag, und mit gerade diesen Chemikalien im Kopf eines Menschen eine Verbindung einging. Das konnte alles Mögliche sein, und nach der Tragödie suchten die Menschen dann nach Gründen, und häufig fanden sie auch welche, aber hinterher wusste man sowieso immer alles besser.
    »Erzähl mir, was passiert ist, Adam.«
    »Er hat hinterher noch versucht, mich anzurufen«, sagte Adam. »Da waren diese Anrufe. Aber ich hab gesehen, dass er das war und bin nicht rangegangen. Er hat nur die Mailbox gekriegt. Er war vorher schon total breit. Und dann noch down und völlig fertig. Das hätte ich merken müssen. Ich hätte ihm vergeben müssen. Hab ich aber nicht. Das war das Letzte, was ich von ihm gehört habe. Er hat gesagt, dass es ihm leidtut und dass er einen Ausweg weiß. Er hatte vorher schon ein paarmal an Selbstmord gedacht. Wir haben alle schon mal davon gesprochen. Aber bei ihm war das was anderes. Das war ernster. Und ich hab mich mit ihm geprügelt. Ich hab ihn beschimpft und gesagt, dass ich ihm das nie verzeihen werde.«
    Betsy Hill schüttelte den Kopf.
    »Er war ein guter Junge, Mrs Hill.«
    »Er hat die Medikamente aus unserem Haus geklaut, aus dem Medizinschrank … «, sagte sie mehr zu sich selbst als zu ihm.
    »Ich weiß. Das haben wir alle gemacht.«
    Seine Worte brachten sie aus der Fassung. Sie konnte sich nicht mehr konzentrieren. »Ein Mädchen? Ihr habt euch um ein Mädchen gestritten?«
    »Es war meine Schuld«, sagte Adam. »Ich hab die Beherrschung verloren. Ich hab nicht auf ihn aufgepasst. Ich hab meine Mailbox zu spät abgehört. Danach bin ich so schnell ich konnte zur Schule gefahren und aufs Dach geklettert. Aber da war er schon tot.«

    »Du hast ihn gefunden?«
    Er nickte.
    »Und du hast nichts gesagt?«
    »Ich war zu feige. Aber das ist vorbei. Jetzt ist Schluss.«
    »Womit ist Schluss?«
    »Tut mir furchtbar leid, Mrs Hill. Ich konnte ihn nicht retten.«
    Dann sagte Betsy: »Ich auch nicht, Adam.«
    Sie trat einen Schritt auf ihn zu, aber Adam schüttelte den Kopf.
    »Jetzt ist Schluss«, wiederholte er.
    Dann trat er zwei Schritte zurück, drehte sich um und rannte davon.

33
    Paul Copeland stand vor einer Unmenge von Mikrofonen und sagte: »Wir brauchen Ihre Hilfe bei der Suche nach einer Frau namens Reba Cordova.«
    Muse sah vom Bühnenrand zu. Auf den Bildschirmen erschien ein herzergreifend schönes Foto von Reba. Ihr Lächeln verleitete sofort zum Mitlächeln, falls es einem nicht, so wie in dieser Situation, das Herz zerriss. Unter dem Foto war eine Telefonnummer eingeblendet.
    »Außerdem bitten wir um Unterstützung bei der Suche nach dieser Frau.«
    Jetzt wurde das Foto von der Überwachungskamera im Target eingeblendet.
    »Sie wird zur weiteren Aufklärung im Zusammenhang mir der vermissten Reba Cordova gesucht. Falls Sie etwas über sie wissen, rufen Sie uns bitte unter der unten eingeblendeten Telefonnummer an.«

    Die Spinner würden sofort zum Hörer greifen, aber in Muses Augen überwogen in dieser Situation die potenziellen Vorteile. Sie hatte erhebliche Zweifel, dass jemand Reba Cordova in den letzten Tagen gesehen hatte, aber es bestand eine realistische Chance, dass jemand die Frau vom Überwachungsfoto erkannte. Muse hoffte es jedenfalls.
    Neben Cope standen Rebas Töchter und ihr Mann Neil. Er blickte mit hocherhobenem Kopf in die Kamera, trotzdem sah man, dass er zitterte. Die beiden hübschen Mädchen mit den riesengroßen Augen boten einen fast unerträglichen Anblick, fast wie Flüchtlingskinder in einem Kriegsbericht, die mit fassungslosen Blicken ihr zerbombtes Haus ansehen. Den Nachrichtensendern gefiel die fotogene, trauernde Familie natürlich. Cope hatte Cordova angeboten, dass er gar nicht oder allein an der Pressekonferenz teilnehmen könnte, das war für Neil Cordova jedoch nicht in Frage gekommen.
    »Wir

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