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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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hatten da viel gespielt. Außerdem hatten sie eine Schaukel daneben gestellt, die sie bei Sears gekauft hatten. Beides war längst abgerissen oder zerfallen, aber wenn sie genau hinsah, fand Betsy immer noch den einen oder anderen Nagel oder ein rostiges Stück Rohr.
    Ein paar Jahre später fing Spencer dann wieder an, sich hier mit seinen Freunden zu treffen. Betsy hatte einmal ein paar leere Bierflaschen gefunden. Sie hatte überlegt, ob sie mit Spencer darüber sprechen sollte, aber jedes Mal, wenn sie das Thema anschnitt, zog er sich noch weiter zurück. Er war ein Teenager, der ein Bier getrunken hatte. Na und?
    »Mrs Hill?«
    Als sie sich umdrehte stand Adam hinter ihr. Er war von der anderen Seite gekommen, über das Grundstück der Kadisons.
    »Du meine Güte«, sagte sie. »Was ist denn mit dir passiert?«
    Sein Gesicht war schmutzverschmiert und verschwollen. Ein Arm war dick bandagiert. Sein Hemd war zerrissen.«
    »Mir geht’s gut.«
    Betsy hatte auf Adams Warnung gehört und seine Eltern nicht angerufen. Sie fürchtete, damit diese Gelegenheit zu zerstören. Das war vielleicht falsch, aber in den letzten Monaten hatte sie so viele falsche Entscheidungen getroffen, dass es auf die eine auch nicht mehr ankam.
    Trotzdem sagte sie als Nächstes: »Deine Eltern machen sich große Sorgen um dich.«
    »Ich weiß.«
    »Was ist passiert, Adam. Wo bist du gewesen?«
    Er schüttelte den Kopf. Irgendwie erinnerte er Betsy dabei an seinen Vater. Je älter die Jugendlichen wurden, desto deutlicher sah man die Ähnlichkeit  – sie sahen nicht nur aus wie ihre Eltern, sie entwickelten auch die gleichen Eigenarten. Adam war groß geworden, er war schon größer als sein Vater und fast schon ein Mann.

    »Ich nehme an, dass das Foto schon lange auf der Website ist«, sagte Adam. »Ich guck mir die eigentlich nie an.«
    »Nicht?«
    »Nein.«
    »Darf ich fragen, warum?«
    »Für mich hat das nicht viel mit Spencer zu tun. Zum Beispiel kenn ich die Mädels gar nicht, die die Seite eingerichtet haben. Außerdem hab ich genug, was mich an ihn erinnert. Darum guck ich die mir gar nicht an.«
    »Weißt du, wer das Foto gemacht hat?«
    »DJ Huff, glaub ich. Ganz genau weiß ich’s aber nicht, weil ich da ja auch nur im Hintergrund bin. Ich guck auch in die andere Richtung. Aber DJ hat ziemlich viele Fotos auf der Seite eingestellt. Wahrscheinlich hat er einfach alle hochgeladen, auf denen Spencer ist, und gar nicht mitgekriegt, dass das von dem Abend war.«
    »Was ist da passiert, Adam?«
    Adam fing an zu weinen. Vor ein paar Sekunden hatte sie ihn noch für fast erwachsen gehalten. Aber jetzt war der Mann verschwunden, und der Junge kam wieder zum Vorschein.
    »Wir haben uns gestritten.«
    Betsy stand einfach nur da. Fast zwei Meter lagen zwischen ihnen, trotzdem spürte sie, wie sein Herz raste.
    »Darum hatte er auch den blauen Fleck im Gesicht«, sagte Adam.
    »Hast du ihn geschlagen?«
    Adam nickte.
    »Ihr wart doch Freunde«, sagte Betsy. »Warum habt ihr euch geprügelt?«
    »Wir haben gekifft und was getrunken. Es ging um ein Mädchen. Dann haben wir uns in die Haare gekriegt. Es gab Streit, und er wollte mir eine knallen. Ich bin ausgewichen und hab ihm dann ins Gesicht geschlagen.«

    »Wegen eines Mädchens?«
    Adam senkte den Blick.
    »Wer war noch da?«, fragte sie.
    Adam schüttelte den Kopf. »Das ist nicht wichtig.«
    »Für mich schon.«
    »Sollte es aber nicht. Schließlich war ich derjenige, der sich mit ihm gestritten hat.«
    Betsy versuchte, sich das vorzustellen. Ihr Sohn. Ihr hübscher Sohn verlebte seinen letzten Tag auf der Erde, und sein bester Freund hatte ihn ins Gesicht geschlagen. Sie versuchte, ruhig zu sprechen, was ihr aber nicht gelang. »Ich versteh das alles nicht. Wo seid ihr gewesen?«
    »Eigentlich wollten wir in die Bronx fahren. Da gibt’s einen Club, in den Jugendliche in unserem Alter reindürfen.«
    »In der Bronx?«
    »Aber bevor wir losgekommen sind, hat’s den Streit zwischen Spencer und mir gegeben. Ich hab ihn geschlagen und böse beschimpft. Ich war total sauer auf ihn. Und er ist dann abgehauen. Ich hätte bei ihm bleiben müssen. Bin ich aber nicht. Ich hab ihn gehen lassen. Dabei hätte ich wissen müssen, was er vorhat.«
    Betsy Hill stand völlig benommen da. Sie erinnerte sich daran, was Ron gesagt hatte, dass niemand ihren Sohn gezwungen hatte, Wodka und Pillen aus ihrem Haus zu klauen.
    »Wer hat meinen Sohn getötet?«, fragte sie.
    Aber sie wusste es.
    Sie hatte

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