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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Cassandra schwer mitgenommen. Sie hatte tagelang nur im Bett gelegen und geweint, und manchmal, obwohl er wusste, dass solche Gedanken Unsinn waren, überlegte er doch, ob die damals erlittenen Qualen sie nicht krank gemacht hatten. Womöglich hatte sie sich so sehr über den Tod ihres Bruders gegrämt, dass ihr Immunsystem in Mitleidenschaft gezogen wurde. Vielleicht lauerte der Krebs in jedem von uns, diese bösartigen Zellen, die das Leben aus dem Körper saugten, und wartete nur auf den richtigen Moment, wenn die Abwährkräfte geschwächt waren, um dann zuzuschlagen.
    »Ich verspreche dir, dass ich herausbekomme, wer Curtis umgebracht hat«, hatte Nash zu seiner geliebten Frau gesagt.
    Aber er hatte dieses Versprechen nicht gehalten, was Cassandra aber eigentlich egal gewesen war. Sie war keine Freundin von Rache. Sie vermisste einfach nur ihren großen Bruder. Also hatte er ihr damals gleich noch etwas geschworen. Er hatte ihr geschworen, dass er es nicht noch einmal zulassen würde, dass sie solche Qualen litt. Er würde alle schützen, die sie liebte. Und zwar für immer.
    Dieses Versprechen hatte er an ihrem Totenbett noch einmal wiederholt.
    Er hatte damals den Eindruck gehabt, dass es sie beruhigte.
    »Wirst du für sie da sein?«, hatte Cassandra gefragt.
    »Ja.«

    »Und sie werden auch für dich da sein.«
    Darauf hatte er nichts gesagt.
    Joe kam auf ihn zu. Nash ließ den Blick durchs Klassenzimmer streifen. In vieler Hinsicht hatten sich Klassenzimmer seit seinen Schülertagen kaum verändert. Die handgeschriebene Schulordnung und das Schreibschriftalphabet in Groß- und Kleinbuchstaben hingen immer noch an der Wand. Alles war voller Farbspritzer. An einer Wäscheleine trockneten ein paar neuere Bilder.
    »Es ist noch was passiert«, sagte Joe.
    »Erzähl.«
    »Guy Novak fährt immer an meinem Haus vorbei. Er bremst ab und starrt uns an. Ich glaube, er jagt Dolly und Allie damit Angst ein.«
    »Seit wann macht er das?«
    »Seit ungefähr einer Woche.«
    »Und warum erzählst du mir das jetzt erst?«
    »Ich fand das nicht so wichtig. Ich dachte, er hört schon wieder damit auf.«
    Nash schloss die Augen. »Und warum findest du es jetzt doch wichtig?«
    »Weil Dolly sich so aufgeregt hat, als er das heute Morgen wieder gemacht hat.«
    »Guy Novak ist heute Morgen an deinem Haus vorbeigefahren?«
    »Ja.«
    »Und du glaubst, er macht das, weil er dich schikanieren will?«
    »Warum sollte er das sonst machen?«
    Nash schüttelte den Kopf. »Wir lagen von Anfang an falsch.«
    »Wie meinst du das?«
    Aber es brachte nichts, ihm das zu erklären. Dolly Lewiston bekam immer noch diese E-Mails. Das konnte nur eins bedeuten. Von Marianne kamen sie nicht, obwohl sie nach langem Leiden doch noch zugegeben hatte, dass sie dafür verantwortlich war.

    Guy Novak musste sie geschickt haben.
    Er dachte an Cassandra und sein Versprechen. Er wusste jetzt, was er tun musste, um sein Versprechen zu halten.
    Joe Lewiston sagte: »Ich bin ja so ein Idiot.«
    »Hör mir zu, Joe.«
    Joe war furchtbar verängstigt. Nash war froh, dass Cassandra ihren kleinen Bruder nie so sehen musste. Er dachte daran, wie Cassandra am Ende ausgesehen hatte. Ihr waren die Haare ausgefallen. Ihre Haut war gelb. Sie hatte offene Wunden am Kopf und im Gesicht gehabt. Sie hatte keine Kontrolle mehr über ihren Stuhlgang. Die Schmerzen waren zwischenzeitlich offenbar unerträglich geworden, aber sie hatte ihm das Versprechen abgenommen, dass er sich da nicht einmischen würde. Sie hatte die Lippen geschürzt und ihre Augen waren aus den Höhlen gequollen, als würde sie innerlich von stählernen Klauen zerrissen werden. In den letzten Tagen ihres Lebens war ihr Mund so wund, dass sie nicht einmal mehr sprechen konnte. Nash hatte einfach bei ihr am Bett gesessen, zugesehen und gespürt, wie die Wut in ihm hochkochte.
    »Das wird schon wieder, Joe.«
    »Was wirst du machen?«
    »Mach dir darüber keine Sorgen, okay? Ich regel das schon, das versprech ich dir.«

    Betsy Hill wartete zwischen den Bäumen hinter ihrem Haus auf Adam.
    Dieses kleine Gehölz lag zwar auf ihrem Grundstück, sie pflegten es aber nicht. Vor ein paar Jahren hatten Scott und sie überlegt, ob sie es roden und einen Pool dahin bauen sollten, aber dafür hätten sie sich finanziell ziemlich strecken müssen, und die Zwillinge waren damals sowieso noch zu klein. Also war das nicht passiert. Vorher, als Spencer neun war, hatte Ron dort ein kleines
Fort für ihn gebaut. Die Kids

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