Sie sehen dich
etwas dazu sagen?«, fragte Ilene.
»Wow.«
Ilene nickte. »Genau deshalb habe ich dich zu meinem Partner gemacht«, sagte sie. »Weil du so toll mit Worten umgehen kannst.«
»Ilene, Dante Loriman ist kein besonders netter Mensch.«
»Das ist mir auch schon zu Ohren gekommen.«
»Böse Sache«, sagte Mike.
»Wie der Zustand seines Sohnes.«
Beide ließen das einen Moment lang schweigend sacken.
Die Gegensprechanlage summte. »Doktor Goldfarb?«
»Ja.«
»Susan Loriman ist hier.«
»Hat sie ihren Sohn dabei?«
»Nein«, sagte die Schwester. »Ach, aber ihr Mann begleitet sie.«
»Verdammt, was wollen Sie denn hier?«
Die County-Chefermittlerin Loren Muse ignorierte ihn und ging weiter zur Leiche.
»Scheiße«, sagte einer der Streifenpolizisten leise. »Guck dir mal an, was der mit ihrem Gesicht gemacht hat.«
Die vier standen schweigend um die Leiche herum. Die beiden Streifenpolizisten, die als Erste am Tatort gewesen waren, und Frank Tremont, der Detective von der Mordkommission, der offiziell für den Fall zuständig war, ein etwas weltverdrossener Faulpelz mit Bierbauch. Loren Muse, die einzige Frau und Chefermittlerin von Essex County, war mindestens dreißig Zentimeter kleiner als die anderen.
»TH«, sagte Tremont. »Und ich meine damit keine Hochschule.«
Muse sah ihn fragend an.
»TH wie Tote Hure.«
Dann lachte er über seinen eigenen Witz, während sie die Stirn runzelte. Fliegen umkreisten die breiige Masse, die einmal ein Gesicht gewesen war. Auf den ersten Blick sah man weder die Nase noch die Augenhöhlen, selbst der Mund war kaum zu erkennen.
Ein Streifenpolizist sagte: »Das Gesicht sieht ja aus, als hätte man es durch den Fleischwolf gedreht.«
Loren Muse inspizierte die Leiche. Sie ließ die beiden Polizisten plappern. Manche Leute plapperten einfach, um ihre Nervosität
zu überspielen. Muse gehörte nicht dazu. Die Polizisten beachteten sie nicht. Genau wie Tremont. Sie war seine direkte Vorgesetzte, genaugenommen sogar die Vorgesetzte von allen dreien, und sie spürte, wie der Groll wie schwüle Luft vom Gehweg zu ihr herüberzog.
»Yo, Muse.«
Das war Tremont. Sie betrachtete ihn in seinem braunen Anzug mit dem Bauch von den vielen Feierabendbieren und Frühstücksdonuts. Das würde Ärger geben. Seit man sie zur Chefermittlerin von Essex County befördert hatte, wurden den Medien immer wieder Beschwerden über ihre Amtsführung zugespielt. Die meisten verbreitete Tom Gaughan, ein Reporter, der zufällig auch Tremonts Schwager war.
»Was gibt’s, Frank?«
»Ich hatte eben schon mal gefragt – was wollen Sie eigentlich hier?«
»Ich bin Ihnen keine Rechenschaft schuldig.«
»Das ist mein Fall.«
»Da haben Sie Recht.«
»Und ich brauch keinen, der mir über die Schulter guckt.«
Frank Tremont war ein unfähiger Dummkopf, aufgrund seiner langen »Dienstzeit« und den Beziehungen aber praktisch unkündbar. Muse beachtete ihn nicht. Sie beugte sich hinunter und starrte auf das rohe Fleisch, das einmal ein Gesicht gewesen war.
»Konnten Sie sie identifizieren?«, fragte Muse.
»Nein. Kein Portemonnaie, keine Handtasche.«
»Wahrscheinlich geklaut«, bemerkte einer der Streifenpolizisten.
Die männlichen Köpfe nickten beifällig.
»Muss wohl irgendeine Gang gewesen sein«, sagte Tremont. »Da, sehen Sie.«
Er deutete auf das grüne Kopftuch in ihrer Hand.
»Könnte diese neue Gang sein, ein Haufen Schwarzer, die sich
Al Kaida nennen«, sagte der andere Streifenpolizist. »Die tragen Grün.«
Muse richtete sich auf und ging um die Leiche herum. Die Gerichtsmedizinerin fuhr in ihrem Kleinbus vor. Jemand hatte den Tatort mit Flatterband abgesperrt. Dahinter reckten zehn bis fünfzehn Huren die Hälse, um etwas erkennen zu können.
»Haben die Beamten schon mit den Damen vom Gewerbe gesprochen ?«, frage Muse. »Damit wir wenigstens ihren sogenannten Künstlernamen erfahren.«
»Nee, ehrlich?« Frank Tremont seufzte theatralisch. »Meinen Sie nicht, dass ich da auch schon draufgekommen bin?«
Loren Muse sagte nichts.
»Hey, Muse.«
»Was ist, Frank?«
»Mir gefällt’s nicht, dass Sie hier sind.«
»Und mir gefällt Ihr brauner Gürtel zu den schwarzen Schuhen nicht. Aber damit müssen wir beide wohl leben.«
»Das ist nicht okay.«
Da hatte er nicht ganz Unrecht. Natürlich liebte sie ihre prestigeträchtige neue Stelle als Chefermittlerin. Sie war noch keine vierzig und die erste Frau in dieser Position. Sie war stolz darauf. Aber die
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