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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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die in der Wildnis schreit.« Er lächelte. »Das hab ich nie richtig verstanden.«
    »Ich auch nicht«, sagte Mike. »Haben Sie in einer Mannschaft gespielt?«
    »Football. Auswahlteam der Ivy League. Und Sie?«
    »Eishockey.«
    »Auch Ivy-League-Auswahlteam?«
    »Und Universitäts-Nationalmannschaft«, sagte Mike.
    Anthony zog beeindruckt eine Augenbraue hoch.
    »Haben Sie Kinder, Anthony?«
    »Einen dreijährigen Sohn.«
    »Und wenn Sie glauben würden, dass Ihr Sohn in Schwierigkeiten steckt, könnten Sie, Reggie und Tyrone Sie davon abhalten, da reinzukommen?«
    Anthony atmete tief aus. »Wieso sind Sie so sicher, dass Ihr Sohn hier drin ist?«
    Mike erzählte ihm, dass er DJ Huff mit der Mannschaftsjacke gesehen hatte.

    »Der Junge?« Anthony schüttelte den Kopf. »Der ist hier nicht reingekommen. Glauben Sie, ich lass so ein Jüngelchen in einer Highschool-Mannschaftsjacke hier rein? Er ist da drüben in die Gasse gerannt.«
    Er deutete zehn Meter weiter die Straße hinunter.
    »Irgendeine Ahnung, wo das hingeht?«, fragte Mike.
    »Ich glaub, das ist ’ne Sackgasse. Ich geh da nicht rein. Wieso auch. Da treiben sich Junkies und Dealer und solche Typen rum. So, und jetzt müssen Sie mir einen Gefallen tun.«
    Mike wartete.
    »Die gucken uns hier alle an. Wenn ich Sie einfach gehen lasse, ist das nicht gut für meinen Ruf  – und der ist hier auf der Straße verdammt wichtig, wenn Sie wissen, was ich meine?«
    »Klar.«
    »Also hol ich gleich aus, und Sie hauen ab wie ein verängstigtes kleines Mädchen. Sie können ja in die Gasse da drüben laufen. Alles klar?«
    »Eine Frage hab ich noch.«
    »Was?«
    Mike griff in sein Portemonnaie.
    »Ich hab Ihnen doch schon gesagt«, sagte Anthony, »dass ich kein …«
    Mike zeigte ihm ein Foto von Adam.
    »Kennen Sie ihn?«
    Anthony schluckte.
    »Das ist mein Sohn. Kennen Sie ihn?«
    »Er ist nicht hier.«
    »Das war nicht meine Frage.«
    »Ich hab ihn nie gesehen. Und jetzt?«
    Anthony packte Mike am Revers und ballte die Faust. Mike duckte sich und schrie »Nein, aufhören, tut mir leid, ich geh ja schon!«
    Er sprang zurück. Anthony ließ ihn los. Mike rannte davon.
Hinter sich hörte er Anthony sagen: »Tja, alter Junge, verzieh dich lieber.«
    Ein paar Besucher klatschten. Mike sprintete die Straße entlang und bog dann in die Gasse. Da stolperte er fast über eine Reihe verbeulter Mülltonnen. Glas knirschte unter seinen Sohlen. Er blieb stehen, sah nach vorne und stand vor einer weiteren Prostituierten. Er nahm zumindest an, dass sie eine war. Sie lehnte sich an einen braunen Müllcontainer, als wäre sie damit verwachsen und würde umfallen, wenn man ihn da wegnahm. Ihre Perücke schimmerte fliederfarben und sah aus, als ob man sie im Jahr 1974 David Bowie aus der Tourgarderobe geklaut hätte. Oder zwei Jahre später aus Bowies verbeulter Mülltonne. Sie schien vor Läusen und Flöhen zu wimmeln.
    Die Frau lächelte ihn zahnlos an.
    »Hey, Baby.«
    »Haben Sie gesehen, ob hier ein Jugendlicher durchgelaufen ist?«
    »Hier laufen viele Jugendliche durch, Süßer.«
    Wäre die Stimme etwas lebhafter gewesen, hätte man sie als matt bezeichnen können. Die Frau war ausgemergelt und extrem blass, so dass jeder sofort Bescheid wusste, auch wenn sie das Wort »Junkie« nicht auf die Stirn tätowiert trug.
    Mike suchte einen Ausgang. Es gab keinen. Die Gasse hatte keinen Ausgang, und es gab auch keine Türen. Er sah ein paar Feuertreppen, die aber extrem verrostet waren. Wenn Huff also wirklich hier reingelaufen war, wie war er dann wieder rausgekommen? Wo war er hingegangen  – vielleicht war er bei Mikes Auseinandersetzung mit Anthony wieder herausgeschlichen? Oder Anthony hatte ihn belogen, damit er endlich verschwand?
    »Suchst du diesen Highschool-Burschen, Süßer?«
    Mike blieb stehen, drehte sich um und sah die Prostituierte wieder an.
    »Den Highschool-Burschen. Der war noch ganz jung und bildhübsch,
ja? Oh, Baby, ich werd schon ganz feucht, wenn ich nur an ihn denke.«
    Zaghaft trat Mike einen Schritt auf sie zu, fürchtete fast, dass ein großer Schritt zu starke Erschütterungen auslösen könnte, worauf sie zerbröseln und sich mit dem Dreck unter ihren Füßen vermengen würde. »Ja.«
    »Na, dann komm doch mal rüber, mein Süßer, dann erzähl ich dir, wo er ist.«
    Noch ein kleiner Schritt.
    »Du kannst ruhig näher rankommen, Schätzchen. Ich beiß dich schon nicht. Außer du stehst auf so was.«
    Das folgende alptraumhafte Gegacker sollte

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