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Sie und Er

Sie und Er

Titel: Sie und Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea de Carlo
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Leserinnen in ihren Umschlägen in dem größeren Umschlag mit dem extra langen Z des Zattola-Verlags auf dem Fußboden neben der Eingangstür.
    Jetzt klingelt die Sprechanlage neben dem Eingang auf ihre unangenehme Art, auch das ist eine Form von Einmischung, die ihn nervt, er würde am liebsten sofort die Wohnung verlassen, einfach gehen. Er wartet, dass das Klingeln aufhört, aber es hört nicht auf, zuletzt geht er hin und antwortet: »Was gibt’s?«
    »Dottor Deserti, hier ist eine Signorina, die zu Ihnen will«, sagt die Stimme des Portiers Alfredo.
    »Welche Signorina?«, fragt er wie ein gehetztes Tier in seinem Bau, bereit, sich mit Zähnen und Klauen zu wehren.
    »Moleetto heißt sie«, sagt der Portier Alfredo mit seinem Mailänder Akzent mit dem gedehnten E. »Sie muss mit Ihnen reden.«
    »Ich kenne keine Signorina Moletto«, sagt Deserti, unsicher, ob das nun gut ist oder ihn noch mehr beunruhigen sollte.
    Undeutlich hört man am anderen Ende eine weibliche Stimme. »Sie sagt, es ist wegen des Autounfalls«, berichtet der Portier, und in seinem Ton scheint eine gewisse Missbilligung mitzuschwingen.
    »Da gibt es nichts zu besprechen«, sagt er, hat aber den Eindruck, dass er gar keine andere Wahl hat.
    Es entsteht eine Pause; dann sagt der Portier: »Soll ich sie Ihnen raufschicken, Dottore?«
    »Auf keinen Fall!«, schreit er. »Schicken Sie mir ja niemanden rauf! Wimmeln Sie sie ab!«
    »Ich habe nicht die Absicht, mich raufschicken zu lassen!«, sagt die weibliche Stimme, plötzlich gut verständlich. »Ich bin doch kein Postpaket!«
    »Hören Sie, ich komme runter«, sagt er. »Aber nur eine Minute, ich habe eine Menge wichtigerer Dinge zu tun.«
    »Ich auch!«, sagt die weibliche Stimme.
    »Einverstanden, Dottore.« Der Portier Alfredo scheint zufrieden zu sein, dass er seine Rolle als Mittelsmann erfüllt hat.
    Wütend zieht Deserti sich die Schuhe an, nimmt die Sonnenbrille vom Tisch, knallt die Tür zu und steigt die Treppe hinunter. Unten durchquert er mit wachsender Anspannung den Hof, setzt die Brille auf. Doch Alfredo ist allein, fegt mit einem Reisigbesen das Pflaster. Er hält inne, schaut ihn fragend an, deutet mit dem Kinn zum Tor. Deserti tritt auf die Straße hinaus, entnervt von der ganzen Situation, von den vorbeifahrenden Autos und den Passanten draußen.
    Die Frau von dem Unfall, diese Moletto, steht etwas weiter vorn auf dem Bürgersteig und betrachtet das Schaufenster eines Möbel- und Antiquitätengeschäfts: Sie ist größer, als er sie in Erinnerung hat, mit helleren, wilderen Locken und altmodischer oder vielleicht wirklich alter Sonnenbrille.
    »Sie wollten zu mir?«, sagt er, einen halben Meter von ihr entfernt.
    Leicht erschrocken dreht sie sich um, als habe sie ihn gar nicht mehr erwartet. »Ah, ja«, sagt sie.
    Er fixiert sie, das Gesicht verkrampft, hinter der dunklen Brille versteckt.
    »Wie geht’s Ihrem Kopf?«, fragt die Moletto. Sie mustert ihn, ebenfalls mit abgeschirmtem Blick.
    »Gut.« Er hat nicht die Absicht, sich über die Einzelheiten seiner Genesung auszulassen, auch nicht, ihr zu danken, dass sie ihm nach dem Unfall zu Hilfe gekommen ist.
    »Tut mir leid, dass ich Sie hier stören muss«, sagt sie. Ihr leichtes, im Nacken geknotetes Kleid enthüllt die kräftigen Schultern einer Schwimmerin und betont ihren schlanken Oberkörper, die geschwungenen Hüften, die langen Beine.
    Er nickt knapp, es fällt ihm nicht im Traum ein zu sagen, ihre Zudringlichkeit mache ihm nichts aus.
    »Ich wusste einfach nicht, wie ich Sie sonst erreichen könnte«, sagt die Moletto. Sie wirft einen Blick auf das Schaufenster des Geschäfts: Auf einer Konsole steht eine Porzellankuh mit einem Bauernjungen und einem Bauernmädchen, die sich einander zuneigen und sich küssen.
    »Warum wollten Sie mich denn erreichen?«, fragt er.
    »Um zu erfahren, wie wir es mit der Versicherung machen«, sagt sie. »Wegen des Schadens an unserem Auto.« Obwohl sie versucht, entschlossen zu wirken, kann er ihrer Stimme und ihren Bewegungen einen Anflug von Verlegenheit entnehmen.
    »Was macht man im Allgemeinen mit den Versicherungen?«, fragt er mit eiserner Miene.
    »Ihre ist offenbar abgelaufen«, sagt die Moletto. »Und nicht erneuert.«
    »Ach ja?«, sagt er. Der Asphalt der Straße ist heiß, das Licht weißlich und grell, aber dass sie sich beide weiter hinter ihren Sonnenbrillen verstecken, scheint doch etwas lächerlich.
    »Ja«, sagt sie. »Seit drei Monaten.« Ihre Art von

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