Sie und Er
kostet die Kuh?«, fragt er.
»Die Kuh?«, wiederholt der Typ, so gedehnt, als hätte der Tag zweiundsiebzig Stunden.
»Die Kuh, ja, die Kuh, die Kuh!« Er zeigt auf das Schaufenster. »Wie viele Porzellankühe habt ihr hier drin? Einen ganzen Stall voll?«
»Ach so«, sagt der Typ endlich. »Die kostet dreihundertfünfundzwanzig Euro.«
Deserti zieht ein Bündel zerknitterter Geldscheine aus der Tasche, fängt an, sie zu zählen, gibt es auf und reicht sie alle dem Typen. Einen guten Teil seines Lebens hat er versucht, aus der schier unendlichen Palette möglicher Handlungsweisen, die ihm einfielen, die sinnvollste auszuwählen, doch dann hat er entdeckt, dass die Ergebnisse nicht unbedingt besser sind, als wenn er unüberlegt handelt.
»Einen Augenblick«, sagt der Typ aus dem Geschäft; gemächlich zählt er die Scheine, streicht sie nacheinander glatt.
Deserti nimmt die Kuh mit den Bäuerlein von der Konsole und tritt auf die Straße. Er hält sie der Moletto hin: »Jetzt hören Sie hoffentlich damit auf, sie anzuschauen.«
»Aber ich will diese Kuh nicht!« Sie macht einen Schritt rückwärts.
»Heda, Entschuldigung, das sind nur siebzig Euro«, sagt der Typ aus dem Geschäft von der Tür her.
»Die habt ihr schon mindestens zwei Jahre«, sagt Deserti. »Die kauft sowieso keiner mehr.« Er will der Moletto die Porzellanfigur aufdrängen.
Sie schüttelt den Kopf, scheint aber doch immer noch fasziniert von der Kuh und den zwei rosa und nussbraun und hellblau gekleideten Figürchen, die sich küssen, mit ihren schneeweißen Gesichtchen, den schwarzen kleinen Augen, den roten Lippen und Bäckchen.
»Sie kostet dreihundertfünfundzwanzig Euro«, protestiert der Typ. »Die können Sie nicht einfach so mitnehmen!«
»Sie sollten mir danken«, sagt Deserti. »So ein unerträglicher Kitsch.«
»Genau«, sagt die Moletto, »ich will sie nicht!« Sie versteckt die Hände hinter dem Rücken; einen Moment lang wirkt es, als wüsste sie nicht, ob sie richtig wütend werden oder lieber lachen soll.
»Nehmen Sie sie!«, sagt er.
»Nein!«, sagt sie. »Ich bin nicht hergekommen, um mir unerwünschte Geschenke machen zu lassen!«
»Das ist kein Geschenk«, sagt er. »Es ist nur eine Nebenwirkung Ihrer schwankenden Aufmerksamkeit.«
»Meine Aufmerksamkeit schwankt überhaupt nicht!« Wieder errötet die Moletto: Ihre Haut ist durchsichtig, man sieht, wie ihr das Blut in Wangen und Stirn steigt. »Sie haben ja keine Ahnung!«
»Entweder zahlen Sie mir den vollen Preis, oder Sie geben mir die Kuh zurück!« Der Typ aus dem Geschäft schiebt sich zwischen sie, die zerknitterten Scheine in der Hand.
»Geben Sie sie ihm zurück«, sagt die Moletto. »Ich will sie auf keinen Fall. Ihre Arroganz ist unerträglich!«
»O nein, die gehört jetzt Ihnen.« Erneut versucht er sie zu zwingen, die Figur anzunehmen.
Der Typ aus dem Geschäft streckt die Hand aus, um die Kuh wieder an sich zu nehmen, aber Deserti packt ihn am Handgelenk, die Kuh fällt herunter, zerspringt in tausend Stücke, das Pärchen ist getrennt, enthauptet.
Ein vorbeikommender Radfahrer hält an und schaut zu ihnen herüber, ganz erfreut, Zeuge eines kleinen Skandals zu sein.
»Das gerechte Schicksal eines scheußlichen Gegenstands.« Deserti versetzt einem der Porzellanstückchen einen Fußtritt.
»Und wer zahlt sie mir jetzt?« Der Typ aus dem Geschäft umklammert die paar Scheine, die er schon erhalten hat.
»Dieser Herr vielleicht?« Er blickt den stehenden Radfahrer an, der den Kopf gedreht hat. »Da er so begeistert herschaut! Nur schade, dass es sich nicht um Menschenteile handelt, was?«
Der Radfahrer wendet den Blick ab, fährt weiter.
»Schicken Sie mir die Rechnung, wenn es Ihnen so wichtig ist«, sagt Deserti zu dem Typen aus dem Geschäft und zeigt auf seine Haustür wenige Meter entfernt.
Die Moletto bedauert den Vorfall sichtlich, ihr Gesicht scheint länger, fremder; sie bückt sich, um ein Porzellanköpfchen aufzuheben.
»Und Sie, geben Sie mir Ihre Telefonnummer oder die von Ihrem Blödmann«, sagt er zu ihr. »Dann könnt ihr mir sagen, wie viel ihr von mir erpressen wollt, um dieses entsetzliche schwarze Auto wieder fit zu machen.«
»Es ist nicht schwarz!«, sagt sie, ein Glitzern in den Augen. »Und wir wollen Sie nicht erpressen! Wir wollen nur, dass Sie die Reparatur bezahlen!«
»Geben Sie mir die Nummer.« Plötzlich hat er die ganze Situation satt. »Oder schreiben Sie sich meine auf. Ich kann ja nicht den ganzen
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