Sie und Er
Intuitiv. Schnell.«
»Okay, okay.« Sie winkt ab. »Das reicht.«
»Spontan«, sagt er. »Reaktionsfähig. Nachdenklich.«
»Danke«, sagt sie, »schon gut.« Aber sie lacht, ihre Wangen glühen; sie dreht sich um, betrachtet die Lichter des Dorfes, die fast weiße Brücke, den dunklen Hügel dahinter.
»Hübsch«, sagt er mit glänzenden Augen.
»Schluss jetzt«, sagt sie. Sie kann es nicht fassen, dass er so mit ihr spricht.
»Verdammt hübsch sogar«, wiederholt er. »Nicht gekünstelt und nicht aufgeblasen. Unangestrengt und locker.«
»Ich habe gesagt, Schluss jetzt«, sagt sie. Sie fürchtet sich fast.
»Mit der Figur einer Schwimmerin.« Er tut so, als hätte er nichts gehört. »Aber nicht wie eine Maschine, die Olympiaden gewinnen muss. Wie eine Meerjungfrau aus der antiken Mythologie. Elegant, harmonisch, stark. Mit dem aufmerksamen, ausdrucksvollen Kopf einer Löwin.«
»Du sollst aufhören«, sagt sie; dennoch spürt sie innerlich ein Ziehen bei jedem Wort, ausgelöst vom Klang seiner Stimme, dem warmen Licht in seinen Augen. Sie fragt sich, warum, warum nur.
»Mit einer schier grenzenlosen Bereitschaft, auf andere einzugehen«, sagt er.
»Das stimmt nicht«, sagt sie.
»Aber genau das war es, was deine Männer angezogen hat wie der Honig die Fliegen«, sagt er. »So viel Aufmerksamkeit, so viel Verständnis zu erhalten, deine wunderbare Vitalität anzapfen und sich Tag und Nacht wie ein kleiner Gott fühlen zu können. Verstanden, bewundert, auf Händen getragen wie noch nie, nicht einmal bei ihrer Mama.«
»Hör auf«, sagt sie. »Das stimmt nicht.« Der Gedanke, dass er schon nach so kurzer Beobachtungszeit zu ihrem Innenleben vorgedrungen ist, fasziniert und stört sie gleichermaßen; sie möchte, dass er aufhört, möchte, dass er weiterspricht.
»Du weißt genau, dass es stimmt«, sagt Daniel Deserti. »Und je mehr dich einer mit Forderungen bedrängt, umso mehr gehst du drauf ein.«
»Hör auf«, sagt sie. »Du hast keine Ahnung.«
»Stimmt«, sagt er. »Ich habe keine Ahnung.« Er trinkt einen Schluck Wein, sieht sie an, lächelt.
»Was gibt es da zu lachen?«, sagt sie.
»Ich lache nicht«, erwidert er, »ich lächle.«
»Und warum?«, fragt sie.
»Deine Natürlichkeit ist phantastisch.« Er sieht sie weiter unverwandt an, mit fast absurder Eindringlichkeit, ohne sich ablenken zu lassen.
»Na ja, das wäre schön.« Sie spürt eine Art Kitzeln, während sein Blick über ihr Gesicht, ihren Hals und die Linie ihrer Schultern wandert.
»Es ist so«, sagt er. »Man braucht nur zu sehen, wie du durch deinen Garten läufst. Deine langen Schritte und wie du die nackten Füße aufsetzt. Die Energie und Leichtigkeit. Wild und gleichzeitig superzivilisiert.«
»Jetzt fang nicht wieder an.« Sie kreuzt die Hände. Müsste sie ein schlechtes Gewissen haben, weil sie diese Komplimente genießt, oder ist nichts dabei? Sollte sie sie zurückweisen? Oder annehmen?
»Du bist eine seltene Kombination von scheinbar widersprüchlichen Eigenschaften«, sagt er.
»Ja, echt selten.« Sie trinkt einen Schluck, verändert ihre Haltung auf dem Stuhl, um sich der frontalen Beobachtung zu entziehen. Warum sagt er ihr das alles: aus Spaß, um sie zu reizen, zu verführen, zu studieren, zu sezieren? Damit ihr schwindlig wird? Um sie fertigzumachen? Und was soll sie nach dem Essen tun, wie ihn verabschieden und wann?
»Es ist so«, wiederholt er stur.
»Wie auch immer.« In einer der Taschen ihrer Cargohose surrt das Handy, drrr-drrr, drrr-drrr. Sie zieht es heraus. Eine sms von Alberto: kompliment das beweist wie gewissenlos du bist madonna echt scheißfurchterregend.
»Du solltest ihm einen Tritt geben«, sagt Daniel Deserti, als hätte er die Nachricht auch gelesen. »Dieser Feigling spielt mit gezinkten Karten.«
Sie schweigt, sieht ihm von unten ins Gesicht, mit vorgebeugtem Kopf.
»Das hättest du gleich zu Anfang tun müssen«, sagt er. »Bevor er dir das Herz brach.«
»Das weißt du jetzt auch?«, sagt sie. »Bin ich so ein offenes Buch? So banal und transparent?« Sie möchte lächeln, aber es gelingt ihr nicht; sie fühlt sich auf sonderbarste Weise vereinnahmt.
»Du bist überhaupt nicht banal«, sagt er. Mit dem Blick folgt er der Linie ihrer Arme und Hände.
»Ein Glück«, sagt sie, hätte aber trotzdem gern irgendeinen Schutz, um sich dahinter zu verstecken.
»Aber transparent schon«, sagt er. »Auch das ist eine sehr schwer zu findende Qualität.«
»Sehr nützlich, vor
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