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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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unter dem sich hebenden Stoff auch noch die Oberschenkel sehen konnte. Ein erfreulicher Anblick.
    Aber mehr war bei Milda Ifanowna nicht zu erreichen. Man forschte herum – vergebens. Nicht einer war da, der von sich sagen konnte, er habe in Mildas Kissen gelegen und ihr wunderschönes Körperchen über die Bettdecke gewälzt. Nicht einer, der auch nur einen Griff an ihren runden Busen gewagt hätte. So lockend Mildas Erscheinung war, so festgefügt schien der Panzer zu sein, der sie unsichtbar umschloß.
    Um so verblüffter waren alle in Mildas Kreis, als ein Mann auftauchte, der es wagen durfte, sie unterzuhaken und mit ihr im Gorkipark spazierenzugehen. Und geradezu eine Sensation war es, als jemand berichtete, er habe beobachtet, daß dieser Mann – zum Teufel, wer war er?! – Milda sogar geküßt hatte. Hinter einer hohen Taxushecke! Am hellen Tag! Genau um 3.29 Uhr am Nachmittag. Dem Beobachter war diese Tatsache so bedeutungsvoll erschienen, daß er sogar die Uhrzeit festgehalten hatte.
    An einem Montagmorgen sah man dann einen Major in voller Uniform aus dem Hause Nummer 19 kommen und zur U-Bahn-Station gehen. Forschen Schrittes, wenn auch etwas übernächtigt. An Mildas Wohnung im zweiten Stockwerk aber gingen die Fenster auf, um einen schwülen Sonntag auszulüften.
    Der Fall war klar. »Natürlich ein Offizier«, sagte der lyrische Dichter Matwej Petrowitsch Ptscholkin, der so lungenkrank war, daß die Militärärzte, unmittelbar nachdem sie ihn untersucht hatten, sofort inhaliert hatten, kaum daß er aus dem Zimmer gegangen war. »Daß Milda Ifanowna auf so etwas hereinfällt, das enttäuscht eigentlich. Hat sie das nötig? Aber wer begreift die Frauen? Ein Major! Wie alt ist er? So um die Vierzig! Und sie ist vierundzwanzig! Man kann es nicht verstehen! Aber es mag etwas Wahres daran sein: Je älter der Bock, um so härter das Horn!«
    Was man allerdings nicht wußte, war das Betätigungsfeld des Majors. Er gehörte zu jener kleinen Gruppe ausgewählter Offiziere, die im Kreml Dienst taten und Stalin jeden Tag sahen. Mal von nah, mal von fern, aber sie waren immer um ihn, gewissermaßen ein militärischer Hofstaat, der von General Jefim Grigorjewitsch Radowskij befehligt wurde. Radowskij war ein eleganter Mann mit einer bewundernswert geschnittenen Uniform. Im Kreml behauptete man, sein Schneider müsse ihm bei den Anproben die Uniform naß anmessen, damit sie sich hautnah dem Körper anschmiegte. Das war natürlich übertrieben, aber manchmal hielt man doch den Atem an, wenn Radowskij sich hinsetzte. Man befürchtete, seine Uniform werde auseinanderplatzen wie ein überdehnter Luftballon.
    Major Iwan Michailowitsch Wolnow hütete sich, der Eleganz seines Chefs Radowskij Konkurrenz zu machen. Er entsagte allen diesbezüglichen Verlockungen, was ihn insgeheim schmerzte, denn er war von Natur aus ein Schöngeist, für den elegante Kleidung kein überflüssiger Luxus war: So hätte er sich auch eine etwas attraktivere Schale gewünscht, als er Milda Ifanowna auf dem riesigen Vorplatz der Universität kennenlernte, wo sie Tauben fütterte. Sie hockte, lockte die Vögel mit einem samtenen Gurren an, und als ein Windstoß kam, sah er ihre Schenkel und den unteren Rand eines sanft-blauen Schlüpfers. Dann fiel der Rock wieder zurück. Aber bevor Major Wolnow das herrliche Mädchen ansprechen konnte, kam ein bleicher Jüngling – es war der Lyriker Matwej Petrowitsch Ptscholkin, sprach mit ihr, lachte mit ihr, und dann gingen sie zusammen weg: die Schöne und ein Mann in zerknittertem, viel zu weitem Anzug.
    Wolnow haßte sofort diesen Menschen.
    Drei Tage trug er das Bild des blaßblauen Schlüpfers, zweier Schenkel, eines herrlichen Busens und roter, voller Lippen unruhig mit sich herum. In den dienstfreien Stunden stand er auf dem Universitätsplatz, aber sie kam nicht wieder.
    Nach vier Tagen beschloß Wolnow, seine Sehnsucht bei einem Tschaikowskij-Ballett im Bolschoi-Theater zu betäuben. Und da traf es ihn wie ein elektrischer Schlag: Im Foyer sah er die Taubenfreundin wieder. Ein enges, rosafarbenes Kleid trug sie, bodenlang, züchtig geschlossen bis zum Hals und bestickt, wie es die Frauen in Usbekistan tragen. Doch ihre verlockenden Formen verbarg dieses Gewand keineswegs.
    Wolnow war verzaubert. Er glaubte, auf Wolken durch das Bolschoi-Theater zu schweben, ja, er sah sich mehrmals um, ob auch niemand seinen Zustand bemerkte, und war selig, daß der bleiche Jüngling mit seinem scheußlichen Anzug

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