Sie waren zehn
es sich in dem Prunkbett, Alexander Nikolajewitsch?« rief er erfreut und ließ die Gelenke knacken. Das war eine Spezialität von ihm; wenn er sich richtig dehnte, krachte es an verschiedenen Stellen in seinem Körper. Er hatte damit schon große Wirkung bei Gästen erzielt, die solche Demonstrationen fassungslos bestaunten.
»Schlecht!« sagte Kraskin und kratzte sich den Kopf. »Emil Benjaminowitsch, wenn ich länger bei Ihnen bleiben würde – leider kann ich das nicht – müßte ich um ein anderes Zimmer bitten. Nummer 4 …«
»Ein General hat darin geschlafen!« rief Priwalzew mit erhöhter Stimme.
»Geschlafen? Ins Bett wird er genäßt haben. Es stinkt wie ein ausgelaufener Bock!«
»Das war Ihr nasser Anzug, Genosse!«
»Nicht allein. Mein Anzug hat sich beruhigt.« Kraskin kam näher und hielt Priwalzew die Jacke unter die Nase. »Na? Wie ist es? Nichts mehr! Beleidigen Sie nicht dauernd die sowjetische Kleiderindustrie! Gut, bei Regen stinkt der Stoff – aber in der Sonne ist er neutral! Man fabriziert ja Anzüge auch nicht, um sie zu wässern. Ha, eine Grießsuppe! Sie sind ein guter Mensch, Emil Benjaminowitsch.«
Kraskin setzte sich und dachte an den Kuhtransport, der draußen auf dem Güterbahnhof von Stupino stand. Er mußte sich entscheiden: Entweder wagte er es, auf einen normalen Personenzug zu warten mit dem Risiko, in eine Streife zu laufen, oder er reiste inmitten der Kühe nach Moskau, die man bestimmt nicht kontrollierte, bevor sie ausgeladen wurden. »Wenn Sie eine Brotmarke haben, gebe ich Ihnen die doppelte Portion«, sagte Priwalzew, der seine Suppe gern mit Brot aß. »Nur weil Sie mir so sympathisch sind, Alexander Nikolajewitsch.«
»Sie Gauner!« Kraskin holte seine Lebensmittelkarten aus dem Rock, zupfte einen Abschnitt für Brot ab und schob ihn Priwalzew über den Tisch. Der Hotelpächter rannte davon, kam mit einem Spankorb wieder und brockte eine Scheibe in die Suppe. Kraskin sah sich um.
»Sind wir die einzigen, die frühstücken?« fragte er.
»Ja«, antwortete Priwalzew mürrisch.
»Ich denke, das Hotel ist voll belegt?«
»Man sagt das so, lieber Freund. Soll man zugeben, daß man täglich durch die leeren Zimmer geht und in sich hineinhustet, nur damit man das Gefühl hat, sie seien bewohnt? Gut, das Haus gehört dem Staat, aber ich muß von dem leben, was nach der Pacht übrigbleibt. Und was bleibt in diesen Zeiten übrig? Der Pißgeruch des Generals – wenn stimmt, was Sie sagen, Alexander Nikolajewitsch.«
»Es muß so sein. Ich habe das Fenster die ganze Nacht offengehalten.«
Sie aßen eine Weile wortlos weiter, dann sah Kraskin hoch und ließ den Holzlöffel fallen. Immer, wenn ein Russe eine dicke Suppe oder seine Kascha ißt, benutzt er dazu am liebsten einen Holzlöffel wie seit Jahrhunderten. Sogar in den großen Läden von Moskau liegen sie neben dem polierten Metallbesteck.
»Ich habe geträumt«, sagte Kraskin. »Von Metallplatten. Es verfolgt mich, Brüderchen. Wenn ich an die großen Maschinen denke, die ich in Moskau bedienen soll – mich friert es im Sommer! Wie schön war das Leben in der Zuckerrübenfabrik. Sehen wir von dem Gestank ab, jede Arbeit hat ihren spezifischen Geruch. Beschwert sich etwa ein Autofahrer, daß er nach Benzin stinkt? War das ein Leben auf dem Lande! Wissen Sie, was man mit Zucker alles anstellen kann? Ein Paradies kann man damit anstreichen …«
Priwalzew, die gute Seele, verabschiedete ein paar Stunden später seinen Gast mit einem kleinen Korb voll Eßwaren. Wie Brüder gingen sie auseinander, winkten sich so lange zu, bis Kraskin im Bahnhof verschwand, und dann saß Priwalzew wie verwaist in seinem leeren Lokal, starrte traurig vor sich hin und warf einen Verwegenen hinaus, der ins Hotel kam und fragte, ob man für 50 Gramm Fleischmarken hier etwas zu essen bekäme.
Kraskin strich im Bahnhof herum wie eine suchende Katze, die Fischtöpfe wittert. Er betrachtete den langen Güterzug mit den Kühen sehr eingehend, und stellte beruhigt fest, daß sich niemand um ihn kümmerte. Nur ab und zu stolperte eine dicke Bahnarbeiterin über die Gleise, um Wagen an- oder abzukuppeln.
Der Personenzug nach Moskau, der hier außer Fahrplan lief, rumpelte gegen Mittag ein. Kraskin hatte nun die Wahl, aber als er sah, daß ein Wagen voll Militär mitreiste, auf dem stand: ›Die 4. Kompanie der Schützen von Woronesh marschiert nach Berlin‹, entschloß er sich, bei den Kühen zu bleiben.
Er wartete, bis die dicke An- und
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