Sie waren zehn
hocken und erkannte, daß sein Plan, mit der Bahn nach Moskau zu kommen, offensichtlich scheiterte.
Im Bahnhof stand nur ein Mensch mit drei Kisten, begrüßte Mrychin und Duskow mit einem traurigen Kopfnicken und zeigte auf den geschlossenen Schalter. Dort hing ein Pappschild, auf das der Bahnbeamte mit Rotstift geschrieben hatte: ›Heute kein Zug wegen Reparatur der Gleise. Abfahrten nur in Sagorsk oder Kolchugino.‹
»Wer kann das wissen!« sagte Mrychin. »Aber der Aufbau braucht eben seine Zeit, Genossen! Die deutschen Flugzeuge! Bomben auf den Nachschub. Und die meisten Reparaturkolonnen sind Frauen. Bewundern muß man sie, was sie alles schaffen – aber es geht eben langsamer.« Er las noch einmal das Pappschild und hob die Schultern. »Man kann es nicht ändern. Wollen Sie nach Sagorsk? Mit der Kuh schaffen wir das nie, Genosse. Sie krepiert uns auf der Straße. Wie ihr die Zunge aus dem Maul hängt … Es ist sogar möglich, daß sie herzkrank ist.«
Duskow verzichtete auf eine Diskussion über Kuhkrankheiten. Er ging auf den einsamen, wartenden Mann mit den drei Kisten zu und musterte ihn. Der Mann lächelte dumm und hob die Schultern.
»Wie lange warten Sie schon?« fragte Duskow.
»Drei Tage.«
»Wo ist der Bahnhofsvorsteher?«
»Wer weiß das? Ab und zu kommt er, telefoniert, sagt zu mir: ›Jetzt fehlen ihnen siebzig Meter Schienen‹, und geht wieder. Gestern abend hat er fast geweint. Ein guter Mensch ist er …«
»Ich werde hier in Alexandrow ein anderes Fahrzeug bekommen«, sagte Duskow zu Mrychin. »Ich danke Ihnen, Genosse. Sie und Ihre Kuh haben Hervorragendes geleistet. Ich werde es mir merken.«
Mrychin bekam einen Schluckauf vor Freude, drückte Duskow die Hände, wünschte ihm viel Glück und zockelte dann mit seinem Rübenwagen zurück ins Dorf. Das war ein guter Morgen, sagte er zu sich. So bald werden wir einen Inspektor nicht wieder bei uns sehen.
Duskow wartete, bis Kuh und Karren hinter der Straßenbiegung verschwunden waren, und trat dann zurück in die kleine Bahnhofswartehalle. Der geduldige Genosse hatte sich auf eine seiner Kisten gesetzt und die zweite Kiste wie einen Tisch gedeckt. Er bereitete sich zum Mittagessen vor. Ein Stück Brot gab's, eine Flasche mit Wasser, eine große Zwiebel, ein Endchen Hartwurst und ein rohes Ei. Das Ei war schon ein Luxus, und der brave Mensch achtete darauf, daß es nicht von der Kiste rollte, und klemmte es mit dem Brot fest.
»Heute kommt auch kein Zug, was?« fragte Duskow.
»Wir wollen gläubig sein«, antwortete der Mensch weise. »Die Arbeitsleistungen unserer Kollektive sind überwältigend!«
Duskow verzichtete darauf, die Unterhaltung weiterzuführen, besichtigte den kleinen Bahnhof und traf im umzäunten Garten eines Anbaus, hinter verwilderten Büschen, einen Mann, der mit sichtbarer Inbrunst armselige Tomaten begoß. Nur Hose und Unterhemd hatte er an, sein Bart war vier Tage alt, und er blickte drein wie einer, dem die Magensäure bis zu den Mandeln schwappt. Duskows Gruß erwiderte er mit einem Grunzen und schwenkte den Wasserstrahl zu einem Apfelbaum. »Wenn zwischen den Schienen Sonnenblumen wachsen, gibt's eine gute Ernte«, sagte Duskow. Der griesgrämige Mann schielte zu ihm hin und drückte den Daumen auf das Schlauchende. Das Wasser sprühte in einem breiten Fächer, in den die Sonne bunte Reflexe zauberte.
»Rufen Sie die Zentralverwaltung in Moskau an!« knurrte der Mann. »Alles meckert mit mir! Was kann ich dafür? Ich tu meine Pflicht auf dem Bahnhof, aber wenn kein Zug 'reinkommt, kann ich auch keinen 'rauslassen. Ist das logisch?«
»Sehr sogar. Ich muß nach Moskau.«
»Das müssen viele. Ab Sagorsk!«
»Und wie komme ich nach Sagorsk?«
»Es gibt da ein gutes Mittel. Man sagt zu seinem rechten Bein: Vorwärts! Und dann zum linken Bein: Vorwärts! Und wenn man das einige Stunden sagt, ist man in Sagorsk. So einfach ist das!«
»Ungeheuer einfach! Ich möchte Sie vor Dankbarkeit küssen!«
Duskow wandte sich ab und ging zum Bahnhof zurück. »Idiot!« sagte der philosophische Genosse und lenkte den Wasserstrahl auf einen Komposthaufen, auf den er Kürbisse ausgesät hatte.
Alexandrow erwies sich als ein sauberer Ort. Duskow durchwanderte ihn in Richtung des Dorfes Strunino, wo es eine große Ziegelei gab. Den hohen Schornstein sah er weit in der Ferne stehen wie eine Nadel, die den blauen Sommerhimmel ankratzt. Die gute Milda Ifanowna, dachte er. Es stimmt alles auf den Punkt, was sie uns
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