Sie waren zehn
Welches Geschrei! Gleich drei Rinder auf einmal … Waren sehr unvorsichtig, die Brüder!
Man muß sich einteilen können, das ist eine große, aber nützliche Kunst.
Hier ein Ferkelchen, dort eine Gans, und wenn man ganz sicher ist, auch ein Kälbchen. Aber gleich drei ausgewachsene Rinder …
»Nun muß ich zurück nach Moskau!« sagte Duskow laut. Die Bauern nickten stumm. Es stimmt also, er kommt aus Moskau. So ein feines Herrchen. Je schneller man ihn los wird, um so besser für uns alle. Wir werden die beste, schnellste Kuh vor den Rübenkarren spannen.
»Man muß mich nach Alexandrow bringen, zur Bahn!« rief Duskow und ballte die Fäuste. Das sah gut aus und machte immer Eindruck. »Ist das möglich?«
»Man wird es möglich machen, Genosse. Wann wollen Sie gefahren werden?«
»Sofort.«
Das war ein Wort, das allen in die Adern fuhr. Sofort – das bedeutete, daß dieses Mal keine Kontrollen mehr stattfänden, daß das Dorf verschont blieb, daß ein Wunder über sie gekommen war …
»Wir besorgen alles!« riefen die beiden Bauern im Chor und rannten aus dem Haus. Das Mütterchen bekreuzigte sich verstohlen, blieb auf der Ofenbank hocken und starrte Duskow stumm an. Er wanderte unruhig im Zimmer auf und ab, blickte aus dem Fenster und atmete auf, als über die Dorfstraße ein abenteuerliches Gefährt rumpelte: Vor einem flachen Rübenkarren, von dem man die Seitenwände entfernt hatte, der aber jetzt belegt war mit einer alten, an zwei Seiten aufgerissenen Matratze, denn der Genosse Inspektor sollte ja weich reisen und nicht mit durchgewetztem Hintern in Alexandrow ankommen, was vielleicht seine erstaunliche Milde beeinträchtigt hätte –, also vor diesem vom Scheuern noch nassen Karren trottete eine sehr mißmutige Kuh, mit dicken Stricken an den Wagen gebunden. Sie blickte traurig drein, klagte ab und zu mit röhrendem Gebrüll ihr Leid, schleppte ein mächtiges, aber schlaffes Euter mit sich herum und hob demonstrativ den Schwanz, wenn Kusma Mrychin, der Dorfsowjet, die Peitsche knallen ließ, um etwas Temperament aus ihr hervorzulocken. Mrychin hatte sich nach Anhörung seiner beiden Abgesandten entschlossen, selbst den Karren zu fahren. Der Genosse aus Moskau schien ein umgänglicher Mensch zu sein, dem nur daran gelegen war, schnell wieder in die Stadt zu kommen. Auf dem Weg nach Alexandrow konnte man ihn ein wenig unterhalten und vielleicht – für spätere Inspektionen – einen guten Eindruck hinterlassen.
Über vier Stunden waren sie unterwegs, ehe sie den Bahnhof von Alexandrow erreichten. Mrychin, der nach einigen Ansätzen von Beredsamkeit an dem wortkargen Duskow gescheitert war, fuhr das Entsetzen in den Nacken: Der Bahnhof lag wie ausgestorben. Nicht ein Mensch zu sehen, geschweige ein Zug oder etwas, das darauf hindeutete, daß der Bahnhof in Betrieb war. Zwischen den Schienen watschelte eine Ente, ein zerrupftes, uraltes Vieh, und stieß mit dem gehörnten Schnabel gegen die Bohlen. Mrychin hielt die Kuh an, wischte sich den Schweiß von der Stirn und seufzte ergreifend. Welch ein Bild des Jammers!
»Da stimmt etwas nicht!« sagte Duskow ernst. »War hier die Pest?«
Mrychin verdrehte die Augen, ließ seine Unterlippe wirkungsvoll zittern und stieg vom Rübenwagen. So etwas passiert immer nur mir, dachte er mit Bitterkeit gegen sein Schicksal. Vom Unglück bin ich verfolgt! Kommt über die heimlich gehaltenen Schweine der Rotlauf, man kann ein Kreuz darüber schlagen – es trifft mich zuerst! Oder die Sache mit Marianka! Zwei Jahre lang war ihr Mann, der tapfere Jefim Gawrilowitsch, vermißt, sicherlich von den Deutschen erschlagen, und da tröstet man die kleine Witwe, wärmt sie im Bettchen, nimmt teil an ihrem Schmerz … und plötzlich ist dieser Halunke Jefim da, frühmorgens, wo noch alles schläft, auch die kleine Witwe in meinen Armen, rennt durch das Dorf und brüllt: »Wo ist die Hure?« Man konnte ihn aufhalten, bis Marianka durch das Fenster davon und aufs Feld gelaufen ist und von dort zurückkommt, das fleißige Frauchen, das schon im Morgengrauen arbeitete, und schreiend vor Freude dem guten Jefim um den Hals fällt und ihn herzt und küßt. Und dann ist sie schwanger, und der zurückgekehrte Jefim freut sich und stolziert wie ein preisgekrönter Hahn umher. Ein Glück im Unglück, daß er nicht gut rechnen kann … Mrychin packt die Kuh am Horn und trottete mit dem Rübenwagen dem schweigsamen Bahnhof von Alexandrow zu. Duskow blieb auf der alten Matratze
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