Sie waren zehn
Muskelrücken, kam herein, nur mit einer Hose bekleidet, das Handtuch um den Hals gelegt, nach Seife mehr stinkend als riechend, denn die Seife, die man jetzt bekam, stank nach Tran, und stellte sich ans Fenster.
»Da sind Sie nun, Fjedor Pantelijewitsch!« sagte er. »Machen Sie es sich gemütlich. Spielen Sie Schach?«
»Welche Frage!« Iwanow hob beide Hände. »Von der Mutterbrust wurde ich abgesetzt ans Schachbrett …«
Die Antwort gefiel Semjon Tichonowitsch, er grunzte zufrieden und rieb sich mit dem Handtuch den Nacken trocken. »Von meiner Tochter bin ich viel gewöhnt … Dreimal hat sie einen herrenlosen Hund heraufgebracht, zweimal eine Katze, zweimal eine lahmende Taube, und einmal – man muß sich fragen, wo kommt er her, wer kann sich das heute leisten, so ein Vieh zu ernähren?! – einen Papagei! Begreifen Sie das? Einen grün-roten, echten Papagei, der mich anschielt, den Schnabel aufreißt und deutlich ›Du Idiot‹ schreit. Soll ich mich beleidigen lassen? Ha, ich habe alle Tiere in den Zoo gebracht! Und nun hat Wanda Sie hergebracht. Das ist neu – Sie sind der erste Mann, den sie aufliest.«
»Ich bezweifle, daß auch mich der Zoo aufnimmt«, sagte Iwanow freundlich. »Ich wollte Wandaschka nicht enttäuschen, deshalb kam ich mit. Ich gehe gleich wieder, ihr Lieben …«
»Du bleibst!« rief Wanda sofort. Sie deckte den Tisch mit einem bunt bemalten Porzellan. Das ganze Zimmer erschien gleich fröhlicher, wohnlicher und strahlte Gemütlichkeit aus.
»Sie hören es!« Semjon Tichonowitsch warf das Handtuch auf die Fensterbank neben einen Geranientopf, trottete ins Nebenzimmer, nahm ein Hemd vom Haken, zog es über, ließ ungeniert die Hosen herunter, stopfte das Hemd hinein und knöpfte die Hose dann zu.
Es waren gute Menschen, die Hallers. Fleißig, genügsam, patriotisch. Das einzige, worunter sie litten, war ihr deutsch klingender Name. Semjon beteuerte immer, daß er versucht habe, das zu ändern, aber die Behörden sahen die Notwendigkeit nicht ein. Er hatte beantragt, sich Hallow oder Hallerinski nennen zu dürfen, doch sogar die Begründung, er wolle gerade jetzt, wo die Deutschen sein Vaterland überfallen hatten, keinen deutschen Namen mehr haben, wurde mißachtet. Seinem Vorfahren, aus Schwaben eingewandert um 1766 unter Katharina der Großen, fühlte sich Semjon nicht mehr verbunden. Er war Russe und ein guter Kommunist dazu. In der Schule hatte man ihm Schwaben auf der Landkarte gezeigt; der Anblick erzeugte bei ihm keinerlei heimatliche Gefühle. Aber wenn er sonntags im Sommer am Ufer der Moskwa saß und angelte, und in der Ferne schwebten im Sonnenglanz die goldenen Kirchtürme wie eine herrliche Fata Morgana, dann hätte er vor Glück weinen können, dankbar, daß er hier leben durfte.
Die Kartoffelsuppe war etwas dünn. Antonina hatte, des neuen Gastes wegen, noch Wasser hineingeschüttet. Sie saßen rund um den Tisch, löffelten stumm, und Wanda strahlte Iwanow an, daß man meinen konnte, die jetzt schon lastende Sommerwärme müsse noch um einige Grade heißer werden durch diese Blicke. Als der Suppentopf leer war, beendete Semjon das Essen mit einem diskreten Rülpser und streckte die Beine von sich. Wanda räumte ab und ließ Spülwasser in das emaillierte Becken neben dem Herd. Vor den Fenstern glitt der Tag in eine lange Dämmerung hinein. Die Häuser atmeten die Tageswärme zurück; es war schwül und schweißtreibend.
»Schach?« fragte Semjon.
Iwanow nickte. »Aber ja!«
Bis spät in den Abend spielten sie drei Partien, die Semjon gewann. Das machte ihn sehr väterlich und gut gelaunt. Außerdem fragt man nicht, wenn man Schach spielt, und das erschien Iwanow an diesem ersten Abend wichtig. Morgen zerbröselte der Alltag alle lästigen Fragen, und übermorgen hatte man sich an den Zustand gewöhnt, daß Fjedor Pantelijewitsch anwesend war. Mit dem Schlafen gab es keine Schwierigkeiten. Väterchen Semjon lieh sich vom Nachbarn eine Matratze und legte sie in der Küche neben dem Tisch aus. Decken gab es genug, aber es war warm in diesen Juni-Nächten, man brauchte sie ohnehin nicht und war froh, wenn der Körper unbedeckt atmen konnte.
Iwanow lag noch lange wach. Die Tür zum Nebenraum war nur angelehnt. Er hörte Semjon husten, hörte das Flüstern von Antonina Nikitischna und die ebenfalls geflüsterten Antworten von Wanda Semjonowna. Plötzlich dröhnte Semjons Stimme, begleitet vom zischenden » Tss ! Tss !« Antoninas: »Soll er hierbleiben?«
»Ja,
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