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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ich habe zurückgerufen: ›Jetzt plötzlich, wo ich Sie sehe, Genosse Generalissimus …‹ – Seitdem grüßt er mich immer, wenn er mich erkennt.«
    Iwanow schwieg. Eine seltsame Kälte durchzog ihn, was ihn sehr betroffen machte. Er begriff plötzlich, daß von den zehn vielleicht nur er es sein würde, der Stalin so nahe gegenüberstand, daß ein Schuß oder eine Handgranate die Weltgeschichte verändern konnte. Vielleicht morgen schon, lange vor dem geplanten Zusammentreffen mit den anderen? Lange vor jedem gezielten Einsatz … Welch ein Witz: Stalin steht unten am Baugerüst, und in dieses Gesicht hinein kann man den Tod werfen. Auch den eigenen.
    »Woran denkst du?« fragte Wanda. Iwanow lächelte sie an und küßte ihr flatterndes Haar.
    »Ich habe Sehnsucht nach dir«, sagte er leise. »Wie soll ich dir das erklären?«
    »Nachher, Fedja.« Sie lehnte den Kopf an seine Schulter und seufzte. »In der Mittagspause. Im Magazin, hinter den Kalksäcken, sieht uns keiner.«
    Der beste Platz, wo ein Mensch nicht auffällt, ist unter vielen Menschen. Im Gewimmel um den Belorussischen Bahnhof und auf dem riesigen Platz davor mit dem Gorki-Denkmal fühlte sich Piotr Mironowitsch Sepkin am sichersten. Er umkreiste den Platz, sah in die Lesnaja uliza hinein und wagte es dennoch nicht, bis zu Mildas Wohnung zu gehen. Es wäre auch gegen alle Planungen gewesen. Jeder der zehn sollte sich in Moskau zunächst einen eigenen Platz suchen und erst mit Milda Ifanowna zusammenkommen, wenn sie alle zu sich rief. So kehrte Sepkin zum Bahnhofsvorplatz zurück, reihte sich in die Masse der Genossen ein, die an den Wänden lehnten, Zeitungen lasen oder nur, geduldig vor sich hin stierend, auf irgend etwas warteten. Und wie er, die Prawda in den Händen, das laute Leben um sich beobachtete, fragte er sich, ob man wohl im Führerhauptquartier wußte, wie normal das Leben hier in Moskau verlief. Wären nicht die Schaufenster der Geschäfte leer gewesen, und hätten nicht lange Menschenschlangen vor Bäckereien oder Milchgeschäften gestanden – in Moskau hätte man vom Krieg nichts mehr bemerkt. – Die U-Bahnen waren überfüllt, und aus den Eingangsschächten quollen die Massen heraus. Die wenigen Straßenbahnen und Omnibusse bewältigten kaum den oberirdischen Verkehr. Überall wurde gebaut, ganze Häuserblocks riß man ab und errichtete auf den Grundstücken die monumentalen Wohn- oder Geschäftspaläste in einem eigenen Stil, den Stalin selbst entwickelt hatte: Bauten, die Rußlands unsterbliche Größe dokumentieren sollten. Moskau: die schönste und modernste Stadt der Welt!
    Von einem unerschütterlichen Lebenswillen war diese Stadt erfüllt. Sepkin spürte es überall: Der Krieg war für Moskau vorüber. Die deutsche Gefahr gab es nicht mehr. Die Angst, die deutschen Armeen könnten ihre Siegesparade auf dem Roten Platz vor dem Kreml abhalten, war absurd geworden. Nie hatte ein deutsches Heer seinen Marschtritt durch Moskaus Straßen dröhnen lassen – und nie würde das in Zukunft möglich sein. In diesen Monaten war die Unbesiegbarkeit Rußlands dokumentiert worden. Sie galt bis zum Weltuntergang. Erst wenn die Erde auseinanderbrechen würde, gäbe es auch kein Rußland mehr. Von Menschenhand war es nicht zu zerstören.
    Sepkin begriff das, als er für fünf Kopeken eine Fahrkarte für die U-Bahn kaufte und vier Stunden lang unter Moskaus Erde herumfuhr. Das neue Weltwunder, wie man die U-Bahnhöfe nannte, faszinierte auch ihn. Die Station Ploschtschad Revoljuzii mit ihren achtzig Bronzefiguren, die die Revolution feierten, die Stationen Kropotkinskaja, Kiewskaja, Lermontowskaja und Nowoslobodskaja mit ihren prunkvollen, an Schloßhallen erinnernden Bahnsteigen, jedes Gewölbe mit einem anderen Marmor verkleidet – Piotr Mironowitsch erging es nicht anders als den Bäuerlein aus dem Hinterland, die zum erstenmal durch die Säulenkolonnade einer Station tappen und nicht begreifen können, daß eine so prunkend schöne Halle nichts anderes sein soll als ein Bahnhof für alle sowjetischen Bürger. Er stieg an jeder Station aus, wanderte durch die Marmorpracht, stieg in den nächsten Zug wieder ein und fuhr bis zum nächsten Bahnhof. Er ließ sich auf der Kozewaja -Strecke rund um Moskau fahren, stieg dann um und klapperte die Bahnhöfe der berühmten Kirowsko Frunsenskaja -Strecke ab, wechselte dann am Prospekt Marxa auf die Gorkowslo - Samoskworezkaja -Strecke über und stieg auf der Station Belorusskaja wieder an die

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