Sie waren zehn
immer fröhlich. Er konnte so herrlich lachen, daß er alle mitriß. Wo er sich aufhielt, lachten in kürzester Zeit alle Menschen mit. Bei Gomel, in der großen Panzerschlacht, wurde er von den Deutschen erschossen. Ein Kamerad, der sich retten konnte, hat es erzählt: Jurij hatte sich schon ergeben. Er stand oben auf dem Panzer mit hocherhobenen Händen. Trotzdem haben sie ihn abgeschossen. Eine Zielscheibe war er für die Deutschen.«
Sepkin blickte auf das Pflaster und kam sich elend vor. »Der Krieg –«, sagte er bedrückt. »Jelena Lukinischna, man führt keinen Krieg, indem man Palmenwedel schwingt. Krieg ist absolute Gnadenlosigkeit.«
»Mamuschka hat es nicht überlebt. Immer weniger wurde sie, sie fraß sich innerlich auf, man konnte sehen, wie sie sich auflöste. Eines Morgens blieb sie im Bett liegen, sah uns mit weiten glänzenden Augen an, sagte mit klarer Stimme: ›Jurij ist da! Er streckt mir beide Hände entgegen. Ein guter Sohn!‹ Dann seufzte sie mit einem Lächeln und war nicht mehr da.«
»Jetzt hassen Sie die Deutschen?«
»Sie nicht, Piotr Mironowitsch?« Sie blieb stehen und musterte ihn. Es war, als sähe sie Sepkin jetzt zum erstenmal bewußt und kritisch. Welch ein Mensch ist er? Gerettet hat er mich, dankbar muß man ihm sein, Mütterchen hätte ihm bestimmt die Hände geküßt, ganz gleich, ob er mit ihnen die beiden Soldaten erschlagen hatte, und Papuschka wird ihn auch an sich drücken und ihn loben und mit ihm die versteckten hundert Gramm Wodka teilen, die er hütet wie eine ererbte Ikone … Aber trotzdem muß man sich darüber im klaren werden, welch ein Mensch er ist, dieser Piotr Mironowitsch. Gut sieht er aus, auch wenn er nicht rasiert ist. Gute Augen hat er und einen schön geschwungenen Mund. Die Haare sind kurzgeschoren, wie es die Soldaten tragen. Wie breit seine Brust ist! Aber sein Anzug ist schäbig und zerknüllt, als würde er ihn auch nachts nicht ausziehen. Ein seltsamer Mensch, der plötzlich auftaucht und zwei Männer erschlägt …
»Sie hassen die Deutschen nicht?« fragte sie wieder. »Kennen Sie die Deutschen überhaupt?«
»Sehr gut.« Sepkin stopfte sein Hemd in die Hose. Während des Kampfes war die linke Seite herausgerutscht. »Ich habe gegen sie gekämpft. Direkt von der Front komme ich. Zum Heulen ist es, Jelenaschka: Untauglich, hat der Truppenarzt zu mir gesagt. Ein dicker, unfreundlicher Mensch mit einer runden Brille, über die man lachen könnte, wenn er einen nicht sofort anbrüllen würde. Zweimal bin ich verwundet worden, aber immer hat es geheißen: Du bist geheilt, Piotr! Zurück zu deinen Kameraden. War das eine Freude, sag' ich Ihnen. Aber diesmal steht da der dicke Molch von Arzt, klopft mich ab, hört mit einem Rohr in mich hinein, pfeift mir gegen die Brust – wirklich, er hat gepfiffen, der Kerl, einen Präsentiermarsch sogar –, und dann sagt er ganz kalt: › Piotr Mironowitsch, mit Ihrer Lunge stimmt etwas nicht! Sie haben eine kaputte Bajan verschluckt. Haha!‹ – Wissen Sie, Jelena, was eine Bajan ist? Eine Knopfharmonika! So ein gemeiner Mensch war dieser Arzt! Sehe ich aus wie ein durchlöcherter Blasebalg?! Ich zittere vor Stärke, das ist es! Divisions-Boxmeister bin ich gewesen. Unschlagbar!«
»Das haben Sie bewiesen, Piotr Mironowitsch«, sagte Jelena Lukinischna und lächelte versöhnt. »Was wollen Sie nun tun?«
»So etwas darf man mich nicht fragen!« Sepkin gab sich Mühe, den unendlich Enttäuschten zu spielen. Es gelang ihm so gut, daß Jelena ihm in einer Anwandlung von Mütterlichkeit die Stirn streichelte. Er ergriff ihre Hand, hielt sie fest und mußte sich zwingen, sie nicht zu küssen. »Ich werde mich morgen beim Zentralarbeitsamt melden, die Genossen anhusten, damit sie auch begreifen, mit wem sie es zu tun haben, und ich werde sagen: ›Hier bin ich! Abgeschoben aus dem Großen Vaterländischen Krieg! Ein dicker Arzt hat das bestimmt. Nun seht zu, was ihr mit mir macht!‹«
»Sie müssen doch etwas gelernt haben, Piotr Mironowitsch.«
»Käse.«
Sie sah ihn irritiert an. »Was soll das?«
»Ich habe gelernt, Käse zu machen.« Sepkin grinste verlegen. »Es ist immer dasselbe: Wo ich es erzähle, ziehen sie ein schiefes Maul. Fünf Boxkämpfe habe ich durch k.o. gewonnen, weil meine Gegner mich vorher › Käskopf ‹ oder ›Molkensack‹ genannt haben. Einer, der mich ›Schimmelrinde‹ nannte, wachte erst nach drei Stunden auf und mußte in ein Hospital. Warum das alles? Käsemachen ist
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