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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    »Sie kommen reichlich spät.« Dr. Speschnikow überflog das Papier mit den vielen Stempeln. Er fand es imponierend, wieviel amtliche Stellen so ein Ulcus ventriculi beschäftigen kann. Daß dieses Papier in einer Spezialwerkstatt in Berlin hergestellt worden war – wer konnte an so etwas denken? »Die für Sie zuständige Ärztin ist längst gegangen, die Röntgenabteilung ist geschlossen.«
    »Bin ich verantwortlich für die Pünktlichkeit der Züge?« Petrowskij faltete die Hände und blickte Dr. Speschnikow treuherzig an. »Ich erinnere mich … Da hat mir einmal jemand erzählt: Du, Luka – hat er gesagt –, weißt du, wir haben Krieg …«
    Dr. Speschnikow lächelte sauer, streckte die kurzen Beine von sich, rutschte im Lehnstuhl etwas nach vorn und drehte seinen besiegten Schachkönig zwischen den Fingern. »Was machen wir jetzt mit Ihnen?« fragte er. »Ja, was machen wir denn? Ich bin Dr. Speschnikow, der wachhabende Arzt. Ich mache hier grundsätzlich die Nachtwache. Am Tage müßte ich mich zuviel ärgern. Wer soll Sie untersuchen?«
    »Ich denke, Sie, Genosse.«
    »Ich bin Frauenarzt.«
    »Ha!« Petrowskij streckte abwehrend beide Hände von sich. »Da werden Sie bei mir kein Glück haben!«
    »Wie äußern sich Ihre Beschwerden?«
    »Das ist eine lange Geschichte. Soll ich sie erzählen? Am schlimmsten ist es, wenn ich rülpse. Rot werde ich vor Scham! Wie wenn ich zu Hause das Kartoffelfeld dünge, so stinkt's aus dem Rachen …«
    »Spucken Sie Blut?«
    »Erschrecken Sie mich nicht, Genosse Doktor!«
    »Blut im Kot?«
    »Wo bitte, Genosse?«
    »In der Scheiße!« sagte Dr. Speschnikow geduldig.
    »Wie soll ich das wissen?«
    »Haben Sie nie nachgesehen?«
    »Genosse!« Petrowskij grinste verlegen. »Betrachtet ein anständiger Mensch seine Exkremente und knetet sie vielleicht auch noch durch? Ich bitte Sie! Was Ärzte alles von einem hilflosen Kranken verlangen!«
    »Ziehen Sie sich aus.«
    »Vor einem Frauenarzt?« Petrowskij erhob sich zögernd von seinem Stuhl. »Dr. Speschnikow, es gibt da ein Schamgefühl, das ich …«
    »Ausziehen!«
    »Wenn Sie es so hart befehlen!«
    Petrowskij ließ seine Hose fallen, zog sein hinten mehrmals gekürztes Hemd, aus dem der Kragen erneuert worden war, über den Kopf und streifte die Unterhose hinunter. Dr. Speschnikow bewegte die Schuhspitzen und spielte weiter mit seinem Schachkönig. Er musterte Petrowskij und klopfte ihn gewissermaßen mit den Augen ab.
    »Von extremer Länge«, sagte er darauf.
    »Kann ich das schriftlich haben?« erwiderte Petrowskij.
    »Warum?«
    »Anfissa – meine Braut in Frolovo – behauptet, er entspräche einem vierzehnjährigen Knaben.«
    »Ich meine Ihre Beine, Sie Ferkel! Sie sind ein extrem langbeiniger Typ. Guter Sportler? Weitsprung? Hochsprung? Schnelläufer?« Dr. Speschnikow winkte ab, bevor Petrowskij antworten konnte. »Geht ja alles nicht! Ihr Magengeschwür! Erlebe ich immer wieder: Wozu ein Mensch prädestiniert ist, das wird von anderen Faktoren lahmgelegt. Da laufen Frauen mit Becken herum, in denen sie ganze Völkerscharen austragen könnten – und was haben sie? Ihre Gebärmutter hat einen Knick!«
    Dr. Speschnikow erhob sich, trat an Petrowskij heran, kniff ihm in die Bauchdecke, klopfte seinen Magen ab, fragte, ob das weh täte, worauf Luka Iwanowitsch pflichtschuldig »Au!« hervorstieß, legte sein Ohr an den Rücken, als könne man über die Lunge ein Ulcus ventriculi hören, schob ihm die Augenlieder auseinander und starrte ihm in die Pupillen, kommandierte »Bücken!« und blickte ihm in den Hintern, stellte mit Zufriedenheit fest: »Keine Arschfransen!« und ging dann zu seinem Schachbrett zurück.
    »Anziehen!«
    »Das war alles?« fragte Petrowskij enttäuscht.
    »Mehr kann man jetzt nicht tun.« Dr. Speschnikow baute das Schachspiel wieder auf. »Röntgen zu, Labor zu, alles erst morgen früh wieder in Betrieb.«
    »Aber ein Bett wird doch für mich frei sein?«
    »Frei ist gar nichts, Luka Iwanowitsch. Wir Russen sind immer überfüllt. Die Russen sollen das gesundeste Volk sein – möchte wissen, was da die anderen Völker machen! Liegen bei denen die Kranken auch noch auf den Dächern?« Er starrte Petrowskij durch seine starke Brille an, wartete, bis dieser seine Hose zugeknöpft hatte, und griff dann nach dem Telefonhörer. »Für Sie ist Station 11 zuständig. Mein vollstes Mitleid gilt Ihnen! Auf Station 11 herrscht Barynja Fjodorowna Tschigirina. Oje, ist das ein Luder! Ein Turm

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