Sie waren zehn
auffing. »Wenn die Traktoren fertig sind, fahre ich sie zur Probe, und dann erst können sie ausgeliefert werden.«
»Ein verantwortungsvoller Posten.« Petrowskij blickte auf die Tür zur Ambulanz. Ein Krankenwagen war eingetroffen; zwei Sanitäter trugen einen stöhnenden alten Mann in die Aufnahme. Als die Tür offenblieb, konnte man für einen Moment in die Vorräume blicken. Zwei Ärzte unterhielten sich, eine Schwester trug einen Korb mit blutiger Wäsche fort. »Wie lange sitzen Sie schon hier?«
»Eine halbe Stunde.«
»Ich werde mich darum kümmern«, sagte Petrowskij großsprecherisch. »Wie heißt Ihre Freundin?«
»Wjera Petrowna Orkol.«
»Und Sie, Genossin?«
»Larissa Alexandrowna Chrulankowa.«
»Keine Sorge!« Er lächelte sie ermunternd an. »Sie bekommen gleich Nachricht.«
Sie nickte und verfolgte ihn mit bewundernden Blicken, als er aufstand. »Wie kann ich Ihnen danken, Genosse Ulcus … das andere habe ich vergessen.«
Petrowskij winkte ab. »Lassen wir das! Das ist doch nur ein Titel. Ich heiße Luka Iwanowitsch Petrowskij.«
»Oh! Wie das Krankenhaus …«
»Ein entfernter Verwandter von mir!« Petrowskij gab Larissa die Hand, strahlte sie an, daß sie bis unter die blonden Haare errötete, und entwich in geschütztere Gefilde, nämlich in den Waschraum.
Ein Zufall war es, daß wirklich fünf Minuten später eine Schwester aus der Ambulanz kam und zu Larissa Alexandrowna sagte:
»Eine Frühgeburt ist's. Viel zu früh. Das Kind ist tot. War ein Mädchen. Sie können gehen, Genossin – das andere erledigen wir. Der Vater wird benachrichtigt …«
»Wjera ist nicht verheiratet!« sagte Larissa und schämte sich.
»Aha!« Die Schwester starrte sie böse an. »Aber vom Wind kann sie das Kind nicht haben!«
»Sie hat's mit dem Vorarbeiter der Achsenmontage …«
»Wie schön! Achsenmontage! – Dann benachrichtigen wir den …«
»Er ist verheiratet, Schwester …«
»Ihr seid mir schon eine Bande!« sagte die Schwester und kratzte sich zwischen den Brüsten. »Wie die läufigen Katzen …«
»Was wissen Sie, wie es in den Fabriken aussieht!« Larissa Alexandrowna bebte vor Wut. »Wir haben keine Mittelchen wie ihr, wenn ihr mit den Ärzten hurt! Bildet euch bloß nicht ein, besser zu sein als wir!«
Sie ließ die rot anlaufende Schwester stehen und rannte aus dem Krankenhaus. Draußen besann sie sich, verfiel auf den schicksalsschweren Gedanken, sich bei dem freundlichen und gewiß einflußreichen Ulcus Luka Iwanowitsch zu beschweren, und rannte in das Krankenhaus zurück. Dort prallte sie auf Petrowskij, der von seinem Fenster aus gesehen hatte, wie Larissa das Hospital verließ, und ihr nachlaufen wollte.
»Na, zufrieden?« rief er und faßte ihre Hand.
»Ich muß mich beschweren!« sagte sie laut.
»Da sind Sie bei mir richtig, Larissa. Sprechen Sie sich aus. Ich bin ein leeres Gefäß – füllen Sie es mit Ihren Wünschen.«
So hatte noch keiner zu Larissa gesprochen. Ihr Herz seufzte unter dem Druck neu entdeckter Wonne. »Es war die Schwester«, sagte sie milder gestimmt. »Sie nannte uns Flittchen.«
»Unerhört!« Petrowskij runzelte dramatisch die Stirn. »Erzählen Sie mir das genauer, Larissa Alexandrowna. Verlassen wir das Krankenhaus! Trinken wir eine Limonade zusammen?«
»Mein … mein Traktor wartet. Ich muß ihn zurückbringen.«
»Zu allem bin ich bereit, um Ihnen zuzuhören! Gehen wir also zum Traktor.«
So kam es, daß Petrowskij, hinter Larissa stehend, die in dem schalenförmigen, mit Wachstuch bezogenen Sitz hockte und mit großer Sicherheit fuhr, eine ganze Strecke mit einem bulligen, neuen Traktor durch Moskau ratterte, Larissas Haare roch, die ihm über das Gesicht flatterten, und glücklich war wie noch nie in seinem Leben.
Später zeigte ihm Larissa das Traktorenwerk und platzte fast vor Stolz. »Ein Ulcus ist er«, flüsterte sie den Freundinnen zu, wenn sie dazu Gelegenheit fand. »Ein ganz Großer. Fast ein Chefarzt … Und er ist ein guter Mensch.«
Petrowskij lernte auch den Natschalnik des Montagewerks I kennen, einen dürren, stoffwechselkranken Mann mit gelben Augäpfeln. Das bot Anlaß, sich geradezu brüderlich über Krankheiten und insbesondere über die des Magen- und Darmtraktes zu unterhalten, was beide mit tiefer Sympathie für den anderen erfüllte. Hier erfuhr er auch, daß alle Männer hinter Larissa Alexandrowna her waren, so daß sie in einem ständigen Abwehrkampf stand. Ferner: daß sie 22 Jahre alt war, allein in
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