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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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milden Abendsonne auf einer Bank des Petrowskij-Boulevards, genau gegenüber dem Krankenhaus Nr. 13.
    Auch das war typisch für Luka Iwanowitsch. Es gab noch andere Krankenhäuser in Moskau, zum Beispiel die riesige Botkin-Klinik, wo man wie auf ein Fließband gelegt wurde und entweder gesund herauskam – oder in einer hölzernen Kiste. Aber nein: er suchte sich das Krankenhaus Nr . 13 aus, weil es am Petrowskij-Boulevard lag und er nun auch Petrowskij hieß. Er saß da gemütlich in der orangefarbenen, untergehenden Sonne, rauchte eine Papyrossa, was ein Mensch mit Magengeschwüren eigentlich nicht darf, beobachtete den Betrieb vor dem Klinikeingang, zählte die Ankunft von neun Krankenwagen, freute sich über den appetitlichen Anblick der Krankenschwestern, die in kleinen Gruppen nach dem Schichtwechsel an ihm vorbeigingen, und hatte Mitleid mit den zahlreichen Angehörigen einer Familie, die aus der Klinik kamen, sich vor dem Eingang versammelten und gemeinsam weinten. Vom Säugling bis zum Greis, der gestützt werden mußte, war jede Altersgruppe vertreten. Die Leute blockierten den Eingang und wurden endlich von einem rabiaten Portier wie streunende Hunde verjagt.
    Als die Sonne weggetaucht war und eine fahle Dämmerung über Moskau so etwas wie Trübsinn über die Häuser tropfen ließ, erhob sich Petrowskij, klopfte seinen Anzug ab, knöpfte den Hemdkragen zu und überquerte den Boulevard. Vor dem Krankenhaus drängten sich die Menschen nicht mehr, nur der Portier stand vor der blitzenden Glastür wie ein General, der gerade einen Vorbeimarsch hinter sich hat, und musterte Luka Iwanowitsch mit zusammengekniffenen Brauen.
    »Keine Besuchszeit mehr!« sagte der unhöfliche Mensch und deutete mit seinem breiten Daumen auf ein Schild. »Kommen Sie morgen wieder.«
    »Ist das mein Krankenhaus?« fragte Luka Iwanowitsch. Er legte den Kopf in den Nacken, zeigte auf das Namensschild über dem Eingang und klatschte dann begeistert in die Hände. »Das ist es! Das ist es! Mein Krankenhaus!«
    Der Portier wackelte mit der Nase. Irre werden bei uns nicht behandelt, dachte er. Aber wie kann der arme Mensch das wissen? Denkt, ein Krankenhaus sei einfach ein Krankenhaus für alle. Wie kann er die feinen Unterschiede kennen? Ein sanfter Irrer, so scheint es. Steht da und klatscht in die Hände. Aber wer weiß, wie er sich erst benimmt, wenn man ihn nicht hereinläßt?!
    »Was steht da?« rief der im Geiste arme Mensch. Der Portier sah keinen Anlaß, ihm die Antwort zu verweigern.
    »Petrowskij.«
    »Es stimmt! Es stimmt! Es ist mein Krankenhaus! Ich heiße Petrowskij!«
    Er macht einen Schritt zur Tür, aber der Portier hielt ihn am Ärmel fest. Auch ein Hohlkopf hat sich der Ordnung zu fügen.
    »Ich rate dir, dreh dich um und geh in eine andere Richtung«, sagte er freundlich. »Und freue dich, daß du Petrowskij heißt.«
    »Ich muß hinein!« sagte Luka Iwanowitsch stur.
    »Nein!«
    »Aber ja!«
    »Schleich dich weg, oder ich klopfe dir auf die hohle Nuß!«
    »Was soll das helfen, lieber Genosse?« Petrowskij holte sein mit vielen Stempeln versehenes Einweisungspapier aus der Tasche. Der Portier ahnte Schwierigkeiten, zumal alle Russen sehr nachdenklich werden, wenn sie viele Stempel auf einem Blatt sehen. Ihr Wunderglaube an die behördliche Unfehlbarkeit wird nur noch von dem der Deutschen übertroffen, für die ein Mensch, der hinter einem Schalter sitzt, mit einer Art Heiligenschein gekrönt ist.
    »Woher?« fragte der Portier knapp, um, angesichts der veränderten Situation, seine Würde nicht zu verlieren.
    »Direkt von der Front. Vom Generalarzt …«
    »Sie sind eine Überweisung, Genosse?«
    »Nein. Ich bin Luka Iwanowitsch Petrowskij …«
    Der Portier hob wie betend den Blick in den Abendhimmel und blähte die Nasenflügel. Was ein Krieg so alles an die Oberfläche schwemmt, dachte er. In einer normalen Zeit hätte man so ein Subjekt nie in eine Uniform gesteckt.
    »Sie sind also eine Aufnahme?«
    »Genosse, ich sagte es schon, ich bin Luka Iwanowitsch …«
    »Wohin?« brüllte der Portier gequält. »Welche Station?«
    »Fährt durch das Krankenhaus die Metro?«
    Jeder Mensch gerät einmal an die Grenze seiner Duldsamkeit. Der Portier, von Natur aus ein cholerischer Mensch, glotzte Petrowskij aus rollenden Augen an, stieß die Glastür auf und atmete heftig mit offenem Mund. »Geradeaus, dann links in den Flur, Zimmer 20!« keuchte er. »Über der Tür steht Aufnahme. Da klopfen Sie an, und wenn jemand

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