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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einem kleinen Zimmer wohnte, die Mutter war schon vor dem Krieg an einer Lungenentzündung gestorben, der Vater war bei Tarnopol vermißt – ganz allein stand sie auf der Welt und mußte sich durchboxen durch alle Widerwärtigkeiten, die einem jungen Mädchen das Leben schwermachen.
    »Wie ist das nun, Freundchen?« fragte der Natschalnik und ließ Petrowskij sich eine Zigarette drehen aus Machorka und grünfaserigem, selbstfermentiertem Tabak. Sie saßen in der Glaskabine, von der aus man die Montagehalle überblicken konnte. Larissa hatte einen Schwarm Mädchen um sich versammelt und schien von Petrowskij zu berichten. Temperamentvoll fuchtelten ihre Arme durch die heiße Luft. »Ändert sich da etwas?«
    »Was soll sich ändern, Genosse?«
    »Kriechen Sie zu Larissa ins Bett?« Der Natschalnik lachte meckernd. »Sie als höhergestellter Genosse haben die besten Aussichten. Kein Wunder, wenn man ein Ulcus ist!«
    »Ulcus ist ein Magengeschwür«, sagte Petrowskij sanft.
    »Was ist es?« Der Natschalnik kaute an seiner Zigarette. »Ich denke …«
    »Ein Irrtum, Genosse. Ein Gedankensalto. Ich hatte noch keine Gelegenheit, Larissa darüber aufzuklären.«
    »Sie sind ein Magengeschwür?« Der dürre, gelbäugige Mensch begann zu lachen, bog sich auf seinem Stuhl, verschluckte sich am Zigarettenrauch, hustete mit ausgebreiteten Armen, als wolle er seine Lunge ausstoßen, schüttelte sich dann tränenden Auges und seufzte vor Wonne. »Das muß Larissa passieren!« jubelte er. »Ah, ist das schön! Ist das eine Wonne! Wie wird sie's aufnehmen, was glauben Sie, Luka Iwanowitsch? Wird sie Sie prügeln oder sich verstecken? Da möchte ich dabeisein …«
    Er holte tief Atem, beruhigte sich ein wenig und fragte dann erneut: »Sie gehen mit ihr ins Bett?«
    »Vielleicht.«
    »Sicher! Es wäre gut für uns alle. Ruhe würde es in der Montagehalle geben, wenn man weiß: Larissa hat jetzt alles, was sie braucht. Hihi! – Wer sind Sie wirklich, Luka Iwanowitsch?«
    »Bis vor zwei Wochen war ich noch an der Front. Da entdeckte man das Ulcus ventriculi. Von Beruf bin ich Dachdecker …«
    »Und wie soll's weitergehen?«
    »Darauf habe ich keinen Einfluß. Ich möchte arbeiten.«
    »Eins ist sicher: Wir Magenkranken müssen zusammenhalten. Luka Iwanowitsch, möchten Sie bei mir arbeiten? Wenn ich mit dem Genossen Personalleiter spreche … er hat einen sehr sensiblen Darm und wird Sie als Magengeschwür sicherlich einstellen. Ein kriegswichtiger Betrieb sind wir; keiner wird mehr auf die Idee kommen, Sie noch einmal an die Front zu schicken. Sie können Larissa ein Kind nach dem anderen machen, hehe!«
    Eine gute Unterhaltung wurde es, über eine Stunde lang. Als Larissa aus der Montagehalle zurückkam, mit roten Wangen, voll Glück gepumpt, weil wirklich alle sie um den großen Ulcus beneideten, hatten Petrowskij und der Natschalnik, der Bogdan Filofejewitsch Iswarin hieß, verheiratet und trotz seines gestörten Stoffwechsels Vater von sieben Kindern war, enge Freundschaft geschlossen. Petrowskij beschloß, das Angebot anzunehmen. Wo kann man sicherer sein als in einem kriegswichtigen Traktorenwerk mit einem in Kameradschaft verbundenen darmkranken Personalchef?
    Es ist gelungen, dachte er zufrieden. Ich habe Fuß gefaßt in Moskau. Schon am zweiten Tag. Wie mag es den anderen ergehen? Ob sie auch schon Moskau erreicht haben?
    Am Abend lagen Luka Iwanowitsch und Larissa in dem kleinen Zimmer auf dem Bett und schämten sich nicht, daß sie nackt und satt in der Liebe waren. Wie ein Steppensturm war es über sie gekommen, als sie Larissas armselige Behausung betreten hatten und das noch von der vergangenen Nacht aufgeschlagene Bett sahen. Mit fiebrigen Fingern rissen sie sich fast die Kleidung vom Leib und fielen dann übereinander her, als seien sie ausgehungerte Kannibalen. Erst als Petrowskij bei jeder stoßenden Bewegung einen stechenden Schmerz im Rückgrat spürte und Larissas Atem nur noch ein Gluthauch aus einer brennenden Tiefe war, fielen sie voneinander ab und warteten, jeder mit sich allein, auf die Sekunde, da ihr Herz aussetzen und sie sterben würden vor einem alles vernichtenden Glück.
    »Gar nichts macht es mir aus, daß Ulcus nur ein Magengeschwür ist«, sagte Larissa später in der Nacht, nachdem sie einen zweiten, aber etwas kürzeren Sturm hinter sich hatten. »Wie ich dich liebe, Luka, hat noch nie jemand geliebt. Laß uns heimlich beten, daß wir die Deutschen vernichten und der Krieg schnell zu Ende

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