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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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seinen täglichen Frontberichten als ruhig bezeichnete, war das Sterben anonym geworden. Nach den großen Verlusten der Rückzugsbewegung und der sowjetischen Offensive vom 14. Januar bis 1. März 1944 registrierte man in den Schreibstuben der Kompanie-Trosse und der Bataillons-Gefechtsstände die Toten und Verwundeten mit der gleichen buchhalterischen Nüchternheit, mit der man die Bestände an Munition, Benzinfässern oder Marmeladeeimern für die Truppenverpflegung zählte.
    1. Kompanie = 1 Toter, zwei Verwundete.
    Kompanie = 3 Tote. Kein Verwundeter.
    Kompanie = Keine Ausfälle.
    Zufallsvolltreffer in der Küche der 2. Kompanie. Keine Verluste, aber totale Zerstörung der Feldküche und aller Vorräte.
    Eine stille Front. Nur ab und zu surrte die ›Kaffeemaschine‹ über die deutschen Schützenlöcher, dieses langsame, schwer gepanzerte sowjetische Aufklärungsflugzeug, das keine Angst hatte, so niedrig zu fliegen, daß man den Piloten sehen konnte. Mit allem hatte man schon darauf geschossen, mit Gewehren, MGs, sogar mit leichter Flak, falls vorhanden. Der Aufklärer summte seine Beobachtungsstrecke ab wie ein Rieseninsekt, unverwundbar und stur.
    Mit der Zeit gewöhnte man sich daran, ja, man vermißte es, wenn das Tuck-tuck einen Tag lang nicht zu hören war. Tauchte es dann wieder am Himmel auf, winkte man ihm sogar zu. Bis die Sowjets so unsportlich wurden und kleine Bomben abwarfen. Sie richteten wenig Schaden an, man sah sie kommen, sie fielen pendelnd aus dem Rumpf heraus, und wenn man zur Seite lief und sich hinschmiß, Hacken runter und Arsch eingezogen, ging es meistens gut.
    Oberleutnant Radek, dessen 3. Kompanie sich so weit auseinandergezogen in die Erde eingegraben hatte, daß Radek sagte: »Wenn jetzt die Iwans angreifen mit ihren T 34, merken sie gar nicht, daß wir hier herumliegen«, war von einem Inspektionsgang zurückgekommen in seinen mit Brettern und Erde abgedeckten Kompaniebunker. Bunker war ein feudales Wort für dieses Erdloch, das zwar größer war als die anderen Löcher, dafür aber vollgestopft mit einem Klapptisch, einem Feldtelefon, drei Kisten mit Handgranaten, zwei schweren MGs und einer zusammenklappbaren Trage, auf die groß das Rote Kreuz gemalt war.
    Radek war müde. Am frühen Morgen war er tief geduckt durch den Laufgraben zu seinen Jungs gerannt und mußte dort bleiben bis zur Dämmerung des Abends. Was ihm der Zugführer II meldete, nannte er eine ausgemachte Schweinerei.
    »Wir liegen hier wie auf der Pfanne!« sagte Oberfeldwebel Hagemüller. Die Zeit, wo ein Leutnant einen Zug befehligte, war längst vorbei; es gab viel zuwenig Offiziere. »Sie werden es sehen, Herr Oberleutnant. Passen Sie mal auf.«
    Er streckte seinen Stahlhelm auf einen Knüppel und hielt ihn über den Rand des Schützenloches. Keine Sekunde später machte es pfft, es gab einen hellen, metallenen Schlag, der Helm flog wie von Geisterhand durch die Luft und knallte auf den Grabenrand. »Glatter Kopfschuß!« sagte Hagemüller. »Da drüben sitzen Scharfschützen! Wir haben sie verrückt machen wollen. Wer 'ne Konservendose hatte, hielt sie hoch. Aber die Kerle sind stur und haben Munition genug. Die ballern auf alles, was sich bei uns bewegt.«
    Oberleutnant Radek lag flach in der Mulde und blickte auf das kreisrunde, nach innen ausgezackte Loch in dem Stahlhelm. »Es muß sich doch feststellen lassen, wo die Burschen sitzen!«
    »Irgendwo da drüben in dem Kusselgelände.«
    »Irgendwo ist keine Zielansprache.« Radek schob seine Gasmaskenhülle über den Rand. Sofort schleuderte ein Schuß sie ihm aus der Hand. »Scheiße!«
    »Ich habe mir gedacht, Herr Oberleutnant«, setzte Hagemüller an, »daß wir etwas klarer sehen würden, wenn Gruppe III von rechts und Gruppe VI von links mit ihren MGs Feuerschutz geben und wir mit drei Mann auf Wurfnähe heranrobben. Dann haben wir sie mit drei oder vier geballten Ladungen …«
    »Hagemüller …«, sagte Radek gedehnt. Etwas Gequältes lag in seiner Stimme. Der Oberfeldwebel nickte resignierend. Das alte, seit Wochen bekannte Lied.
    »Ich weiß, Chef! Pro Mann und Tag fünfzehn Schuß! Handgranaten nur im Notfall. MG-Einsatz nur bei Abwehr. Ein zahnloses Mütterchen soll Eisen zerbeißen!«
    »Ich habe den dämlichen Befehl nicht gegeben. Und ich bin auch nicht verantwortlich für Rüstung und Nachschub!«
    »Wir liegen hier platt wie 'ne Flunder!« Hagemüller drehte sich vorsichtig auf den Rücken und blickte in den Himmel. Über das

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