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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Poltmann mit seinem Lockenköpfchen. Als er sie für Wildgänse bis auf ein Minimum abschneiden mußte, hatte er fast geweint. Aber er hatte die Haarpracht gesammelt, in einer Einkaufstüte, und sie seiner Mutter geschickt. Anscheinend ist die Tüte nie angekommen, denn seine Mutter erwähnte nur die eine Locke, die sie ihm selbst abgeschnitten hatte. Das letzte Stück ihres einzigen Sohnes …
    »Sucht mich jemand?« fragte Kuehenberg und klappte die Akte zu.
    »Nein. Du bist der einzige, der keine Verwandten mehr hat.«
    Kuehenberg schluckte. Dann hielt er dem General sein Kognakglas hin. »Noch einen, Willy. Läßt du mir Zeit?«
    »Du willst erzählen?«
    »Ich will's versuchen. Nicht euretwegen und nicht für eure Militärarchive! Nur wegen dieser Mütter und Brüder und Schwestern! Lebt die Frau von Bodo von Labitz noch?«
    »Ja. In Wien.«
    »Wieder verheiratet?«
    »Nein. Sie hofft …«
    »Er feierte damals gerade sein erstes Kind.«
    »Ein Junge. William Heiko von Labitz. Er ist heute Rechtsanwalt in Wien. Seine Mutter lebt bei ihm.«
    »Ich werde es niederschreiben«, sagte Kuehenberg und trank mit kleinen Schlucken seinen Kognak. »Ich werde die Wildgänse noch einmal ziehen lassen. Aber dann, Willy, dann will ich nie mehr davon hören. Ich bin zurückgekommen aus Heimweh, das ist alles. – Wer wird den Bericht lesen?«
    »Nur ein ganz kleiner Kreis. Das verspreche ich dir.«
    »Du weißt, drei von uns leben als brave Russen mit Frau und Kindern noch in Moskau und Umgebung.«
    »Ihre Namen wird niemand erfahren. Ehrenwort.«
    »Ich muß erst die Briefe lesen.« Kuehenberg stand auf und nahm die Mappe mit dem Roten Kreuz an sich. »Ihr werdet enttäuscht sein: Wildgänse war das verrückteste und aussichtsloseste Unternehmen des ganzen Krieges. Daß wir zehn es ausführten, ist mir heute ein Rätsel! Aber damals – 1944 – war nichts mehr normal … und außerdem waren wir so einfältig und jung.«

2
    Radek, Peter
25 Jahre
Oberleutnant
    Die 3. Kompanie hatte sich nördlich von Pleskau eingegraben. Eine armselige Stellung war es, verstreute Schützenlöcher, durch flache Laufgräben verbunden, die man nur tief geduckt entlangrennen konnte, Hasen gleich, die sich in den Feldfurchen vor ihren Jägern verstecken. Auf einer Länge, die sonst ein ganzes Bataillon zu halten hatte, verteilten sich jetzt erbarmungswürdige einhundertundneun Mann. Müde, ausgebrannt, verdreckt, hungrig, bis auf die Knochen abgeschlafft. Der tiefe Einbruch der sowjetischen Armeen im Abschnitt der deutschen Heeresgruppe Nord, die von Leningrad bis Welikije Luki reichte, war zwar hier am Ostufer des Peipus-Sees und des Pleskauer Sees zum Stehen gekommen, aber weiter südlich , im Gebiet der 16. Armee, der die 2. Baltische Front von General Popow gegenüberstand, gärte es wie in einem überquellenden Kessel.
    Tag und Nacht lag die Front unter dem Beschuß der vielen tausend Geschütze, die vor allem im Gebiet der 22. russischen Armee massiert waren. Stoßkeile der T 34-Panzer, dieser stählernen Ungeheuer der Sowjets, gegen die es auf deutscher Seite nur den blanken Mut mit Panzerfaust oder Hafthohlladungen gab, zerwühlten die notdürftigen deutschen Stellungen, malmten die Schützenlöcher eben, zerquetschten die Landser darin oder jagten die Flüchtenden vor sich her. Ein Spaß war das! Ein herrlich grausames Spiel: Man läßt sie rennen, fährt hinterher, schießt eine Zeitlang bewußt daneben, aber dann, wenn sie nicht mehr laufen können, wenn sie mit leeren Augen und heraushängender Zunge stehenbleiben und die Arme heben, schwenkt man das schwere MG auf dem Panzerturm zu ihnen hin und zerfetzt sie mit einer Garbe.
    Im Norden war es nicht anders. Auch dort, im Bereich der Wolchow-Front von General Merezkow, verhielten die Russen plötzlich, als müßten sie Atem holen nach dem ununterbrochenen Siegeslauf von Leningrad bis zum Peipus-See.
    Eine trügerische Hoffnung breitete sich bei den deutschen Truppen aus. Genährt wurde sie noch durch die Artikel des Reichspropagandaministers Josef Goebbels in der Zeitschrift ›Das Reich‹, durch Reden der neu eingeführten Nationalsozialistischen Führungsoffiziere, kurz NSFO genannt, ein Gegenstück zu den politischen Kommissaren, die bei jeder sowjetischen Einheit für nationale Stimmung sorgten und in Krisenzeiten mehr zu sagen hatten als die militärischen Kommandeure.
    Die ›Politik der Nadelstiche‹ bewährte sich. An der ganzen Front, die das Oberkommando der Wehrmacht in

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