Sie waren zehn
frühsommerliche Blau zogen ein paar weiße, an den Rändern gefederte Wölkchen. Ein schwacher, warmer Wind trieb sie nach Osten. »Wenn wir uns in der Nacht tiefer eingraben dürften …«
»In zwei Tagen verkürzen wir die Front. Unsere Nase in die russischen Linien wird zurückgenommen.«
»Zwei Tage sind lang, Herr Oberleutnant.«
»Keine festen Unterstände bauen, sagt die Division. Alles, was wir bauen, nutzt nur dem Iwan.« Radek zuckte mit den Schultern. »Noch zwei Tage müßt ihr den Arsch runterdrücken. Dann geht's zurück in eine schöne, ausgebaute Auffangstellung.«
Bis zum Abend kroch Oberleutnant Radek herum, von Loch zu Loch, robbte seine Kompanie ab und erfuhr überall das gleiche: vor zehn Stunden hatte man drüben die Truppen gewechselt. Ein Eliteregiment sibirischer Scharfschützen lag ihnen jetzt gegenüber, abwartend, selbstsicher, ausgeruht. In der Nacht sangen sie sogar, ihre Lieder hallten durch die mondhelle Nacht bis zu den deutschen Linien.
»Diese Säue!« sagte der Obergefreite Emil Happes. »Die braten Fleisch! Riecht ihr das? Schwein am Spieß! Und wir lecken die Nudeln aus unserem Kochgeschirr! Haltet mich fest, ich möchte denen ins Feuer scheißen!« –
Kurz bevor Radek zu seinem Kompaniegefechtsstand zurückkriechen konnte und die Essenholer von der Feldküche nach vorn kamen, klapperten bei der Gruppe I die Konservenbüchsen, die mit Bindfäden zu einer Blechgirlande zusammengebunden waren.
Alarm! Der Iwan kommt!
Es war nur ein Erkundungsvorstoß. Die sibirischen Scharfschützen hielten die 3. Kompanie nieder, nur bei der Gruppe I hoppelten erdbraune Gestalten durch die Abenddämmerung. Sie schossen im Laufen, warfen Eierhandgranaten, brüllten das entnervende »Urräää! Urräää!« und schwenkten dann ebenso plötzlich zurück und verschwanden in dem Kusselgelände.
Erfolg gleich Null. Aber wieder einer der Nadelstiche, die den Deutschen zeigen sollten: Wir können jederzeit, wenn wir wollen! Seht euch vor! Täuscht euch nicht, die Ruhe ist keine Schwäche. Vor euren Augen marschiert die größte Ansammlung von Mensch und Waffen auf, die die Welt je gesehen hat!
Deutsche Soldaten, denkt an Stalingrad!
Das Jahr 1944 wird noch furchtbarer sein!
Am Abend stolperte Radek in seinen Kompaniebunker und warf seinen Helm gegen die Erdwand. Der Kompanietruppenführer, Feldwebel Lehmann II, grüßte, als sei er Wachhabender eines Kasernenpostens.
»Bei Kompanie nichts Neues!« meldete er.
»Lehmann, lassen Sie den verdammten Blödsinn!« Radek setzte sich auf sein Bett. Es war aus zwei Balken und ein paar Brettern zusammengehämmert. »Wir haben zwei Verwundete, und in den Löchern wachsen mir die Kerle in die Erde! Sie sollen mal hören, was ich denen vom Bataillon erzähle!«
Er kurbelte am Feldtelefon, wartete und sagte dann laut: »Hier Radek! Geben Sie mir den Kommandeur. Was soll ich? Nach hinten kommen?! Sofort? Ihr spinnt wohl! Von wem? Vom OKW? Das habe ich gern: Ihr seid besoffen, und wir können den Kopf nicht hochheben! Gut! Ich komme!«
Radek legte auf und angelte mit dem Fuß seinen Stahlhelm von der Erde. Er lauschte nach draußen. Irgendwo schoß man wieder. Jemand schrie: »Verdammte Scheiße! Paß doch auf!« Die beiden Verwundeten kamen zurück.
»Lehmann!«
»Herr Oberleutnant?«
»Der Kommandeur hat Sehnsucht nach mir. Ich bin im Morgengrauen wieder da. Wenn irgend etwas Besonderes passiert, beim Bataillon anrufen.«
Bis zum Kompanietroß und zur Feldküche mußte man noch in Gräben herumschleichen. Erst hinter der nächsten Hügelkette konnte man aus der Erde heraus. Hauptfeldwebel Ratterfeld, der Spieß der 3. Kompanie, erwartete seinen Chef bereits und meldete: »Kübel bereit. Vollgetankt.«
Kübel – das waren die zu Geländewagen umgebauten offenen VWs. Ein Fahrzeug, um das sich schon Legenden rankten. »Was wissen Sie, Ratterfeld?« Radek setzte sich hinter das Steuer. »Sie haben doch mit Ihrem Freund aus der Bataillonsschreibstube gequatscht.«
»Ich weiß nur, daß irgendeine Sache vom OKW gekommen ist.«
»Im Zusammenhang mit mir?«
»Anscheinend.«
»Unmöglich! Als ob sich das OKW um mich kümmert.«
»Es muß dringend sein.«
»Das kann sich nur um einen Irrtum handeln.«
Es war kein Irrtum.
Im Bataillonsgefechtsstand erwartete ihn Major Sauer. Er betrachtete Radek von oben bis unten und schüttelte dann den Kopf.
»Für Berlin müssen Sie aber Ihre Uniform reinigen lassen.«
»Das ist bester, durchbluteter
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