Sie waren zehn
gebackene Schneehuhnbrust mit einer Beilage aus kandierten Kalmuswurzeln! Mir läuft der Speichel gleich aus den Mundecken!«
»Es ist besser, wenn du gehst, Piotr Mironowitsch«, sagte Milda. Ihre Stimme klang ein wenig rauh, wie bei einer beginnenden Halsentzündung. »Denk daran, was Mamuschka dir gesagt hat.«
Mamuschka. Sepkin lächelte verzerrt. Wolnow, keine Hintergründe ahnend, betrachtete das Lächeln als blöd. Mamuschka … das war Oberst von Renneberg. Meine gute Milda, auch wenn das Bett und des Majors Speer locken – die Sowjets sind durchgebrochen! Beiderseits der Rollbahn dringen sie vor. Orscha ist gefallen, Borissow ist gefallen, bei Bobruisk sind Tausende eingekesselt … Was gilt da noch Mamuschkas Pädagogenwort?! Wir müssen alle umdisponieren!
Sepkin schnaufte durch die Nase und stieß einen künstlichen Husten aus, der aber so echt klang, daß Wolnow bis zur Wand zurückwich und sein Gesicht sich verzerrte. Wie alle Russen litt auch er unter der krankhaften Angst vor Infektionen. Man kann erschossen werden, was kann man dagegen tun? Man kann ein Bein oder einen Arm verlieren – konnte man dem ausweichen? Aber einen Bazillus oder einen Virus zu verschlucken – dem kann man entrinnen, wenn man konsequent genug ist!
Wolnow tat etwas, was er nie hätte tun dürfen. Er griff nach hinten zu einem Tisch, riß seinen Uniformgürtel heran und zog seine Dienstpistole aus dem Futteral. Es war eine Makarow 9 mm, eine kleinere Pistole als die Standardwaffe Tokarew, vergleichbar der deutschen Pistole Walther PP. Sepkin nickte, spreizte die Beine, zog die Schüssel mit dem Essen zu sich über den Tisch und blinzelte Wolnow an.
»Es gibt Menschen, die haben keine Angst«, sagte er freundlich, ja geradezu gemütlich. »Genosse, ich gehöre zu denen.«
»Das wird man sehen!« Wolnows Stimme hatte jene Kälte, die keinerlei Gnade mehr erwarten läßt. »Stehen Sie auf, Piotr Mironowitsch! Ihre Personalien werden wir überprüfen! Man wird Ihnen Gelegenheit geben, zu erklären, wo Sie so plötzlich herkommen!«
»Er ist da« – sagte Milda Ifanowna heiser – »und er ist hungrig. Wenn er gegessen hat, wird er schnell wieder gehen, Iwan Michailowitsch. Warum machst du solch einen Lärm?«
»Er muß dorthin gebracht werden, wo er herkommt! Läuft herum mit einer verfaulten Lunge und steckt die Menschen an! Ein Segen für alle, daß er auf mich gestoßen ist. Mildaschka, hänge dich da nicht rein! Abführen werde ich diesen Burschen!«
Sepkin seufzte wieder, als habe er viel Leid in sich aufgesammelt und müsse es mit Tränen wässern.
»Wie habe ich mich auf die Fleischröllchen gefreut«, sagte er traurig. »Gerochen habe ich sie schon vor der Tür, daß mir das Wasser im Mund zusammenlief. Milda, mein Täubchen, das Leben ist schwer.«
Er legte beide Hände um die große, irdene Schüssel, die mit Mohnblumen bemalt war, als wolle er zum Abschied das Gefäß an die Lippen heben und wenigstens den Gemüsesaft trinken. Aber plötzlich zuckte er hoch, die Schüssel flog durch die Luft, traf Wolnow voll im Gesicht, bevor der begriff, was da geschah – er taumelte, vergaß zu schießen, der Gemüsebrei verklebte alle Sicht, und sein Kopf dröhnte.
Mit einem gewaltigen Satz, geschmeidig wie eine Raubkatze, flog Sepkin auf Wolnow zu. Milda Ifanowna drehte sich zur Wand und preßte die Hände gegen die Ohren. So hörte sie das trockene Knacken nicht, als Sepkins grausamer Handkantenschlag erst die Halsbeuge Wolnows und dann den Nacken traf. Noch im Fallen erhielt er den dritten Schlag gegen die Kehle – den spürte er schon nicht mehr, weil sein Genick gebrochen war.
Mit einem klatschenden Laut stürzte Wolnow zu Boden. Das Zerspringen der irdenen Schüssel, auf die er mit der Schulter fiel, war lauter, und dann lag er mit dem Kopf in einer Lache aus Kohlbrei und Fleischbällchen, und auch seine gebrochenen Augen wurden von dem Gemüse überdeckt.
»Fertig?« fragte Milda tonlos, als sich hinter ihr nichts mehr rührte.
»Fertig!« sagte Sepkin. Er betrachtete seine Handkanten; sie waren rot und begannen zu schwellen. Mein Gott, habe ich zugeschlagen, dachte er. So kalt, so hemmungslos habe ich noch nie getroffen, selbst bei den Übungen nicht. Holzbretter und Übungspuppen bedrohten auch nicht mein Leben …
Milda drehte sich langsam herum. Wolnows Anblick trieb Übelkeit in ihren Magen. Sie sah Sepkin fragend an, ohne ein Wort hervorzubringen. Sepkin nickte.
»Ja, er ist tot!« Er blickte sich
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