Sie waren zehn
entgegensetzen konnte.
»Kommen Sie herein!« rief er im Befehlston. »Auch wenn Sie sich geirrt haben – treten Sie ein!«
Mildas Gesicht war wie erstarrt. Sie trat zurück und gab die Tür frei. Wolnow reckte sich. Ein Mann trat ein, natürlich, wie befürchtet. Ein großer, kräftiger, sportlicher Mensch in einem erbärmlichen Zivilanzug und einer speckigen Mütze. Das hätte man ihm noch verziehen, aber daß er einen bunten Blumenstrauß in der Hand hielt und ihn Milda reichte, die ihn zögernd annehmen mußte, schien Wolnow bei aller Toleranz (die er nicht besaß) über das Maß des Erträglichen hinauszugehen.
»Zieren Sie sich nicht!« kommandierte er. »Werfen Sie die Tür zu! Nur herein. Wer so schöne Blumen bringt, hat ein Recht, freundlich empfangen zu werden! – Wer sind Sie?«
Der Besucher blickte stumm im Halbkreis von Milda zu Wolnow. Dann sagte er völlig unbefangen, ja geradezu provokatorisch, wie es Wolnow vorkam:
»Ich bin Piotr Mironowitsch Sepkin.«
Der erste der zehn war bei Milda Ifanowna angekommen.
Man kann nicht sagen, daß Sepkins Name großen Eindruck auf Wolnow machte. Viel mehr Eindruck hinterließ der Blumenstrauß, der nun auf dem Tisch lag, zwischen Mildas und Wolnows Teller und neben der Schüssel mit den Fleischklößchen. Achtlos, ja geradezu verachtend hingeworfen, aber gerade deshalb so präsent, daß Wolnow noch einmal über die Farbenpracht der Blüten blickte.
Sepkin vermied es, Milda anzusehen. Zwei Dinge gibt es jetzt nur noch, dachte er: Wir liegen uns in einer Stunde als Freunde in den Armen – oder einer von uns wird waagerecht hinausgetragen.
»Was wollen Sie hier?« fragte Wolnow herablassend.
»Piotr Mironowitsch ist ein alter Freund«, warf Milda schnell ein. »Als Kinder kannten wir uns schon!« Sie lachte, und es klang noch nicht einmal gequält. »Wie hast du mich überrascht!« rief sie und breitete die Arme aus. »So plötzlich bist du da! Ohne Anmeldung! Mit einem Arm voll Blumen …«
»Sie sind kein Soldat, Genosse?« fragte Wolnow knapp.
»Die Unterhaltung beginnt, unhöflich zu werden!« sagte Sepkin und nahm erst einmal seine speckige Mütze ab. »Wer redet mich da an?«
»Wer ich bin, das sehen Sie ja!« antwortete Wolnow mit kühler Angriffslust.
»Ein Major.«
»Genügt Ihnen das nicht, Piotr Mironowitsch?«
»Es mag genügen.« Sepkin winkte ab, was Wolnow einen glühenden Stich in die Schläfen trieb. Die Handbewegung war beleidigend, ohne Zweifel. Sie drückte Nichtachtung aus. »Was ist schon ein Name, Genosse? Man sagt Felix Nikolajewitsch und denkt hinter seiner Hirnschale: Gut, daß er nicht weiß, daß ich Vadim Afanasejewitsch heiße? – Um keinen Irrtum aufkommen zu lassen: Ich heiße wirklich Sepkin! Und Soldat war ich auch. Komme eben von der Front.«
»Verwundet?«
»Leider nicht, Genosse Major. Eine Bedrohung der Kompanie hat man mich genannt! Ich bin die berühmte pfeifende Lunge der 43. Division …«
Wolnow verzog das Gesicht, als rieche er einen Fäkalienhaufen, trat zwei Schritte zurück und winkte mit der rechten Hand. »Verlassen Sie die Wohnung, Piotr Mironowitsch!« rief er streng. »Und entfernen Sie sich aus der Nähe von Milda! Wieso laufen Sie mit einer offenen Lunge frei herum und gefährden die Menschen? Sie sollten doch in einer Klinik sein, nicht wahr?! Ausgebrochen sind Sie, gestehen Sie es! Ein verantwortungsloser, verseuchter Kadaver sind Sie! Hinaus mit Ihnen!«
Sepkin blieb. Er sah Milda an, die mit ihren Augen winkte, Wolnows Befehl nachzukommen, aber Sepkin spürte, daß dieser Major – auch wenn er jetzt ging – zu einer Gefahr werden konnte. In welchem Verhältnis stand er zu Milda? Sie kochte für ihn, er aß bei ihr … war sie seine Geliebte? Sepkin tat genau das Gegenteil; er kam tiefer in das Zimmer hinein. Die Entscheidung lag nicht mehr bei ihm. Sie wurde von der Offensive bestimmt, die die deutsche Front im Mittelabschnitt der Ostfront aufgerissen hatte. Tausende von Panzern rollten nach Westen. Es war lächerlich, daß ein einzelner Major im Weg stand, wenn es galt, die stählerne sowjetische Woge aufzuhalten.
»Ah!« sagte Sepkin laut und rieb die Hände aneinander. »Gemüse aus Kohl und Fleischröllchen! War schon immer eine gute Köchin, die Milda Ifanowna! Haben Sie schon mal ihre Multebeerengrütze gegessen? Noch nicht? Oder ihre berühmte Fischtorte? Ach ja, Krieg ist! Aber im Frieden, ich sage es Ihnen, Genosse Major, gibt es nichts Besseres als Mildas in Butter
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