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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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suchend um, ging dann in die kleine Küche und hielt seine Hände unter den Wasserhahn. Das kalte Wasser tat gut, die Handkanten schienen es wie ein Schwamm aufzusaugen. Milda folgte ihm und lehnte sich in den Türrahmen. »War dieser Major Ihr Geliebter?« fragte er.
    »Ja!« antwortete sie ruhig. »Er hieß Iwan Michailowitsch Wolnow.«
    »Weiß das Mamuschka?«
    »Es geht sie nichts an!«
    »Darüber könnte man diskutieren, mein Täubchen! Ihre Abneigung gegen den Bolschewismus scheint erst oberhalb des Nabels anzufangen.«
    »Für diesen Satz werden Sie büßen, Piotr Mironowitsch! Wolnow war seit kurzem Ordonnanzoffizier im Kreml.«
    »Oha!« sage Sepkin laut und drehte das Wasser ab.
    »Er war bei den Besprechungen mit Stalin dabei.«
    »Bravo, Mildaschka …«
    »Verzichten Sie auf Vertrautheiten, Sepkin! Was wollen Sie eigentlich hier? Ihr Befehl lautete –«
    »Schlafen Sie, Milda Ifanowna? Haben Sie Pfropfen in den Ohren? Die sowjetischen Armeen haben bereits Borissow erobert. Sie dringen beiderseits der Rollbahn vor! Unsere Flanken brechen ein … Napoleons Untergang an der Beresina scheint sich bei Hitler zu wiederholen, nur ist's jetzt Sommer! Damit ist unser ganzer Plan verschoben worden. Wir müssen schneller an Stalin heran!«
    »Wie, Sie kluger Totschläger?«
    »Sie sollten sich andere Kosenamen ausdenken, Milda.«
    »Haben Sie Wolnow erschlagen, oder ist er am Gemüsebrei erstickt? Piotr Mironowitsch, ich hatte endlich die besten Informationen aus Stalins Umgebung. Es wäre möglich gewesen, jeden Schritt Stalins außerhalb des Kreml vorher zu wissen – und Sie töten den wichtigsten Informanten!«
    »Sollte ich mich, mit einer Pistole im Nacken, abführen lassen?«
    »Man hätte Wolnow beruhigen können.«
    »Kaum möglich. Der Junge war voll in Fahrt; den bremste keiner mehr.«
    »Ich hätte es gekonnt. Er hat mich sehr geliebt.«
    »Wen wundert das?« Sepkin ging zurück ins Wohnzimmer. Die Handkanten brannten noch immer, als seien die Mittelhandknochen angerissen.
    »Nun haben wir kein Ohr mehr im Kreml.«
    »Es hat sich noch keiner von uns gemeldet?«
    »Sie sind der erste, Piotr Mironowitsch. Und Sie sind zu früh gekommen.«
    »Es wäre immer zu früh gewesen, denn das liebe Majorchen hatte ja Hausrecht bei Ihnen!«
    »Nachts!« sagte Milda unbefangen. »Es gehörte nicht zu Ihren Aufgaben, auch nachts in meiner Wohnung zu sein. Aber es hätte sich sicherlich ergeben, daß ich für den Tag wichtige Informationen gesammelt hätte.«
    »Beklagen wir jetzt nicht ewig, daß ich Ihr Bett geleert habe, Milda! Gut, es war ein Fehler, Wolnow auszuschalten, aber wer konnte das vorher wissen? Außerdem gab es mir einen Stich ins Herz, als ich erkannte, mit welchem Recht Iwan Michailowitsch so hausherrisch auftrat. Aha, dachte ich mit einem schmerzhaften Gefühl, dieser Bursche hat erreicht, wovon ich träumte …«
    »Es wäre besser, Sie sprächen nicht weiter«, sagte Milda hart.
    »Ich sagte träumte! Vergangenheit! Das Gefühl des Zorns und der Enttäuschung war ein Überbleibsel! Ich liebe ein zauberhaftes Mädchen! Ein Schwänchen wie aus einem weißrussischen Märchen. Jelena Lukinischna heißt sie …«
    »Gratuliere!« sagte Milda teilnahmslos. »Privatsache.«
    »Jetzt irren Sie, Milda Ifanowna! Ich wohne bei ihrem Vater, dem ehrenwerten Puschkin. Er ist Krankenpfleger. Ich selbst arbeite in der gleichen Klinik, am Ofen I, und verbrenne Operationsmüll! Dazu gehören auch amputierte Glieder. Heute – man kann darüber nur traurig werden – eine schöne, schlanke, feingliedrige Frauenhand. Leider war sie abgequetscht, nicht mehr zu retten.«
    »Sie haben den richtigen Beruf erwählt«, sagte Milda abweisend.
    »Ich erwähnte Ofen I nur zur Illustration.« Sepkin betrachtete den toten Wolnow mit seinem breiverschmierten, einstmals wirklich schönen Gesicht. »Wichtig ist Jelena Lukinischna. Sie hatten Ihren Major im Kreml – ich habe meine Sekretärin im Kreml! Halten Sie mich für einen blinden Narren, der am Wegrand wartet, bis er Stalin schnüffeln kann? Zugegeben – es war ein Zufall, Jelena kennenzulernen, und zwei Tote hat's dabei auch gegeben …«
    »Ist das Ihre Spezialität, Piotr Mironowitsch?« fragte Milda sarkastisch. »Wenn das so weitergeht, machen Sie sich den Weg zu Stalin mit Handkantenschlägen frei.« Sie setzte sich an den Tisch, aber so, daß sie Wolnow den Rücken kehrte. »Kann Ihnen Jelena helfen?«
    »Ich hoffe es. Sie kann zwar Stalin nicht in den Kragen

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