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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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es auch Kindertransporte ins Reich gibt. Vor allem mit Zehn- bis Vierzehnjährigen. Die können schon feste arbeiten.«
    »Das ist nicht wahr, Meier!«
    »Man munkelt, habe ich gesagt, Herr Oberleutnant.« Feldwebel Meier zog das rechte Bein zum Sprung an. »Sollen wir?«
    »Nein!« Ranowski blickte hinüber zu der Gruppe von Frauen und Kindern. Sie gingen über die Schienen und entfernten sich von der getarnten, auf Lauer liegenden deutschen Kompanie. Von der Nebengruppe robbte ein Unteroffizier heran und schob sich neben Ranowski.
    »Herr Oberleutnant –«, stotterte er. »Det sind se doch, die Kameraden! Warum ballern wir nicht?«
    »Das sind Frauen und Kinder!«
    »Na und? Wenn se unsern Nachschub in die Luft jagen …«
    »Auf Ausgangsstellung sammeln!« sagte Ranowski hart. Die Frauen und Kinder waren wieder voll in der Dunkelheit verschwunden. »Was würden Sie sagen, Unteroffizier, wenn jemand Ihre Mutter erschießt?!«
    Fassungslos robbte der Mann zurück. Eine halbe Stunde später rückte die Kompanie ab zu den Lastwagen und fuhr nach Orscha zurück. Bei den Morgenmeldungen, die bei Major von Habner einliefen, war auch der Bericht der Kompanie Ranowski. »Im Kontrollabschnitt keine Vorkommnisse«, hieß es in der kurzen Meldung. »Planquadrate VII – IX: neunundzwanzig Häuser. Nur Frauen und Kinder. Keine Waffen. Keine Anhaltspunkte von Partisanentätigkeit.«
    »Merkwürdig!« sagte Major von Habner bei der Mittagsbesprechung. »Ranowski, Sie müssen im entscheidenden Augenblick an der falschen Stelle gelegen haben. In Ihrem Gebiet sind gestern nacht an vier Stellen die Gleise gelockert worden. Um 3.25 Uhr entgleiste ein Munizug. Gott sei Dank nur Sachschaden. Die Strecke war in einer Stunde wieder frei.«
    Um 14 Uhr rief der Ia der Division bei Oberleutnant von Ranowski an. »Sind Sie reisefertig?« fragte er.
    »Wieso?« Ranowski überlegte blitzschnell. So flott sind sie nicht mit Strafversetzungen. Nicht ohne Anhörung des Beschuldigten. Nicht ohne lange Schreibereien. Das ist bei Mannschaften schon so und erst recht bei Offizieren.
    »Sie fliegen noch heute nach Berlin!« sagte der Ia der Division. »Befehl vom OKW.«
    »Berlin? Wieso OKW? Was soll ich beim OKW?«
    »Weiß ich das, Herr Oberleutnant? Das Fernschreiben lautet: Mit kleinem Gepäck. Meldung in Eberswalde, in der Offiziersreitschule.«
    »Ich kann reiten! Ich habe mich nie für einen Lehrgang gemeldet. Ist Reiten jetzt, 1944, so wichtig? Gewinnen wir damit den Krieg?«
    »Das fragen Sie mal im OKW!« Der Ia schien es eilig zu haben. Es gab Wichtigeres in Orscha, der Frontstadt, als einen Oberleutnant nach Berlin zu befehlen. »Wann können Sie sich bei der Division melden?«
    »Sofort!«
    »Hervorragend. Ihr Kommandeur wird von uns unterrichtet. Es muß sehr dringend sein in Berlin. Verlieren Sie keine Zeit.« Berlin, dachte von Ranowski und freute sich plötzlich. In Berlin habe ich Lilli sitzen. Die kleine, grünäugige Lilli mit dem runden Busen. Wie ein Schweinchen quiekte sie auf, wenn man sie liebte, und wenn man glaubte, sie sei geschafft, grub sie das Gesicht in die Magengrube und schrie: »Jetzt beiße ick dir 'n Monogramm in den Bauch!« – Wer von Lilly wegging, hatte immer einen dicken Bißfleck oberhalb des Schambeins …
    Lilly, wir sehen uns wieder, dachte Ranowski. Ein Fest wird das! Ich habe genau sechs Monate keine Frau mehr gehabt. Er sollte enttäuscht werden.
    Berlin sah er nie wieder.
    Solbreit, Elmar
22 Jahre
Leutnant
    Er war verdreckt von den Haaren bis zu den Stiefelspitzen. Getrockneter Schlamm, Gestrüpp von Wasserpest, grüne Algen bedeckten seine Uniform. In den Stiefeln quatschte das Wasser, das Gesicht schimmerte lehmgrau, durchsetzt mit grünen Tupfen. Zum Umfallen müde, hockte er sich auf die Erde, warf seine Maschinenpistole weg und riß den Helm vom Kopf. Das kurzgeschnittene blonde Haar war wie erstarrter Leim.
    Die Soldaten, die mit ihm zurückgekommen waren, sahen nicht anders aus. Gestalten aus einer Sagenwelt. Die Söhne des Sumpfkönigs.
    »Ein Mist ist das!« sagte Leutnant Solbreit. Er zog seine nassen Stiefel aus und warf sie der MPi nach. Im Lager der 7. Kompanie war man an solche Auftritte gewöhnt. Jede Streife, die aus den Pripjet-Sümpfen zurückkehrte, sah so aus. Hauptfeldwebel Maritzka brüllte nach dem Küchenfeldwebel und verlangte Tee mit Wodka. Aus seiner Schilfhütte, die zusätzlich noch mit einem Netz getarnt war, kam Hauptmann Voggenreiter heraus und hockte sich neben den

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