Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
von Habner. Er war ein grauhaariger jovialer Herr, den man, da er an der Front nicht zu verwenden war, zum Kommandanten der Streckenüberwachung Orscha - Borissow gemacht hatte. Jetzt sah er sich einem Einsatz gegenüber, den er gern mit einem Kommando in der Hauptkampflinie getauscht hätte. Was er an Truppen in der Hand hatte, war mehr als miserabel. Ein Bataillon Bulgaren, die vor allem entlang der Eisenbahnlinie in Bunkerstationen wohnten und die Strecke abpatrouillierten, aber immer dann nicht verfügbar waren, wenn irgendwo eine Bombe das Gleis zerriß, dazu drei Kompanien Deutsche, zusammengewürfelt aus allen Truppenteilen, sogenannte Rekonvaleszenten-Einheiten; Leichtverwundete, die das Pech gehabt hatten, keinen Heimatschuß zu bekommen, sondern in den Lazaretten von Orscha ausgeheilt werden konnten. Hinzu kamen dreihundert Hiwis – Russen, die sich den Deutschen als Arbeiter zur Verfügung stellten, um Brot und eine Schüssel Suppe zu bekommen. Hilfswillige nannte man sie im schönsten Beamtendeutsch. Sie machten klaglos die ganze Drecksarbeit an der Strecke, flickten die Gleise, schütteten die Dämme auf, bauten neue Bunker entlang der Eisenbahn, zogen Stacheldrahtzäune, errichteten Spanische Reiter, verminten die Bahndämme und gaben auf Packpapier oder auf Hemdenzipfeln ihre Pläne, auf denen verzeichnet war, wo sie die Minen vergraben hatten, weiter an die Partisanen in den Wäldern und Sümpfen.
    »2.359mal!« sagte Major von Habner und fuhr mit einem Zeigestock über die große Gebietskarte. Sie hing an der Wand des Klassenzimmers der 2. Klasse der Grundschule Orscha, einem alten Ziegelbau mit hohen, schmalen Fenstern. Einem Gebäude noch aus der Zarenzeit. Da die Sitze für Erwachsene zu eng waren, hockten die angesprochenen Offiziere und Feldwebel auf den Schreibpulten. Sie rauchten, ließen die Stiefel pendeln und sehnten sich nach einem kühlen Bier. Zwei Brauereien arbeiteten seit der Besetzung durch die deutschen Truppen wieder in Orscha. Auch hier waren es Hiwis, die die Maische ansetzten und die Gärung und das Sudhaus überwachten. Ihnen übergeordnet waren zwei deutsche Braumeister, ein Oberfeldwebel und ein Stabsgefreiter. Das Bier war dünn, fad und hellgelb. Pissolin oder Urinol nannten es die Landser. Ein geflügeltes Wort: Du trinkst einen halben Liter und pissen kannst du zwei.
    Aber es gab Unterschiede. Braumeister Stabsgefreiter kochte ein ›Spezialbier‹ für sich und eingeweihte Offiziere. Ein Starkbier bester Qualität. Wer davon einen halben Liter in einem Zug trank, dachte nicht mehr ans Pissen …
    Orscha. Etappe. Ein rumorendes Leben. Ein Warenlager, daß die Wände platzten. Fronttheater. Vier Soldaten-Puffs. Zweimal im Monat, am Sonntag, für die Offiziere sogar ein Sinfoniekonzert im Saal des Parteihauses. Sammelplatz der Verwundeten. Schulen als Lazarette. Auffanglager zerriebener deutscher Einheiten, die hier wieder auf Kampfstärke gebracht wurden. Verwaltungen und Sitz des Generalzahlmeisters. Drehpunkt der zurückgekommenen Heimaturlauber. Um die Stadt herum Lager nach Lager. Barackenstädte. Das Bahngelände – das Herz zweier Armeen.
    Kaum hundert Kilometer östlich, von der deutschen Aufklärung kaum bemerkt, marschierten unterdessen vier sowjetische Heeresgruppen auf. 132 Divisionen und 62 Brigaden, 2 Panzerarmeen und eine Luftflotte. Aus dem weiten Raum, aus den unerschöpften Gebieten jenseits des Urals, aus der Taiga Sibiriens und den Steppen Asiens strömten die erdbraunen Gestalten nach Westen.
    Vernichtet die Deutschen! Jagt sie weg! Überrollt sie mit einer Feuerwalze. So tapfer sie sein mögen – diesem Stoß werden sie nicht standhalten.
    »Die Tätigkeit der Partisanen nimmt täglich zu«, sagte Major von Habner und tippte mit dem Zeigestock die eingezeichnete Bahnlinie entlang. »Das deckt sich mit den Beobachtungen der Feindlage: Die Sowjets massieren große Truppen von Narwa bis Kolomea. Vom Finnischen Meerbusen bis zur Grenze Rumäniens alles Scheiße! Doch das nur nebenbei. Uns interessiert unsere Bahnlinie nach Orscha. Die vermehrte Aktivität der Partisanen deutet darauf hin, daß es auch hier bald losgeht. Die sofortige Erschießung gefangengenommener Partisanen – Sie kennen den Führerbefehl, meine Herren – trägt nicht dazu bei, die Freundschaft unserer Hiwis zu erhalten. Aber wir brauchen sie. Wer soll die Drecksarbeit machen? Und sie arbeiten wie die Ameisen, aber es ist im Grunde genommen ein Beißen in den eigenen Schwanz. Was

Weitere Kostenlose Bücher