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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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jungen Leutnant. Zwei Mann brachten einen Eimer mit Wasser und wuschen Solbreit das Gesicht. Eine dicke Brühe blieb in dem Eimer zurück. Die anderen Landser tappten zu ihren Unterständen, zogen die Jacken aus, ließen die Hosen fallen und stellten sich unter Gießkannen, die man an einen Strick gebunden hatte.
    Auch so kann man duschen. Ein Gefreiter lief mit Eimern hin und her und füllte die Gießkannen immer wieder auf. Von der Feldküche herüber zog ein herrlicher Duft. Bohnensuppe mit Speck. Hauptmann Voggenreiter hatte es befohlen. »Wenn die Jungs zurückkommen, gibt's ein Festessen!« Das Wenn betonte er. Wenn … Jeder wußte, was das bedeutete. Wer in die Pripjet-Sümpfe eindrang, um die sowjetischen Stellungen herauszufinden oder um einen Gefangenen zu machen, den man dann ausquetschen konnte, durfte sogar nach seiner Rückkehr beten. Keiner hätte ihn ausgelacht.
    Vom Feind gegenüber und rundherum wußte man so gut wie gar nichts. Er war da … Überall tauchte er auf, wo ihn niemand erwartete. Im Rücken, dort, wo eigentlich der Bataillonsstab liegen sollte. Oder an der Westseite, wo das III. Bataillon seit einem Monat feste Stellungen ausbaute. Oder er kam direkt aus den unzugänglichen Sümpfen, in denen nach menschlichem Ermessen eigentlich niemand leben konnte, weil es keinen harten Boden gab, nur schwabbelnde, breiige Masse, Schilfseen, Moore mit trügerischem Blumenteppich, Rohrniederungen, in denen Millionen Vögel nisteten, Wildenten und Schnabeltaucher, Fasane und Kraniche, Rebhühner und graugrüne Märzenten . Der Krieg störte sie nicht, denn das Massensterben ging an ihnen vorbei. In den Sümpfen wurde der Krieg dumpfer, erstickte das Moor die Geräusche, versanken Granaten im puddingweichen Schlamm, bevor sie explodierten.
    Hier wurde noch Mann gegen Mann gekämpft, nicht Panzer gegen Panzer oder Geschütz gegen Geschütz. Der Sumpf war ein Land, so groß wie Preußen, und irgendwo in diesem Urwald aus Rohr und Schilf, Weiden und Pappeln, Ginster und Riesenfarnen lagen die Russen, irgendwo die Deutschen. Ein Dschungelkrieg. Der Tiger, der zuerst springt, bleibt Sieger. Leutnant Solbreit wischte sich mit einem großen Handtuch das Gesicht. Trotz der Wäsche mit einem ganzen Eimer Wasser wurde das Handtuch lehmgelb. Er wollte aufstehen, aber Hauptmann Voggenreiter drückte ihn an den Schultern auf die Erde zurück.
    »Bleiben Sie sitzen, Solbreit. Ihre Beine knicken sowieso weg. Also wieder nichts mit Informationen?«
    »Gruppe Solbreit von Stoßtrupp zurück, keine Feindberührung. Eigene Verluste: Keine.« Solbreit griff nach der Blechtasse, die der Küchenfeldwebel ihm unter die Nase hielt, Tee mit Wodka. Gierig trank er sie halb leer und rülpste dann laut. »Verzeihung, Herr Hauptmann!«
    »War ein gesundes Bäuerchen!« Voggenreiter lachte. »Der Stoßtrupp der 2. Kompanie ist auch zurück. Ich habe mit Leifheim gesprochen. Auch keine Feindberührung. Wir stoßen in ein Vakuum. Aber auf einmal sind sie da, wie Moorgespenster. Zum Teufel, irgendwo müssen sie doch stecken! Sie können sich doch nicht in Schilfrohr verwandeln.«
    »Sie tun's mit Schilfrohr.« Solbreit legte sich lang auf den Rücken. Schlafen, dachte er. Augen zu, Ohren zu, Schnauze zu und schlafen … »Wir haben einen Toten gefunden.«
    »Einen Iwan? Mensch, Solbreit! Welcher Truppenteil? Wenigstens ein Lichtblick!«
    »Der Mann war fast nackt. Nur eine Badehose. Truppenteil? Bataillon Tonarr …«
    »Wie bitte?«
    »Toter Nacktarsch! – Der Kerl war im Stadium der Verwesung. Vielleicht drei Wochen schon. Ein vorgeschobener Posten, nehme ich an. Aber an ihm haben wir gesehen, wie die Technik der Iwans ist. Der Mann ist an seiner Flöte erstickt.«
    »Werden Sie nicht obszön, Solbreit«, unterbrach ihn Voggenreiter.
    »Nehmen wir es ruhig wörtlich, Herr Hauptmann.« Solbreit hob den Kopf, trank den Rest und ließ den Kopf wieder sinken. Der Küchenfeldwebel grinste ihn an. Sein rundes Gesicht hing wie ein Mond am blaßblauen Himmel. » Seppl , wieviel Wodka hast du in den Tee gebraut?« sagte Solbreit schläfrig. »Du lieber Himmel, ich bin besoffen …«
    »50 : 50 … wie es Herr Leutnant immer trinken.«
    »Aber nicht nach solch einem Tag, du Rindvieh! Verzeihung, Herr Hauptmann, wenn ich Blödsinn rede … Ich habe den Höllentrank nicht serviert!«
    »Was ist mit der Flöte, Solbreit?«
    »Sie – die Iwans – verkleben sich die Nasenlöcher mit Bienenwachs, stecken in den Mund ein Schilfrohr, manche auch

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