Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Heldentum, sondern es ging allein ums Überleben, als Venno von Baldenow beim Auftauchen der T 34 des General Tolbuchin von der 4. Ukrainischen Front, der sich die 3. Ukrainische Front unter General Malinowski anschloß, zu seinen sieben müden Männern sagte: »Jungs, wenn ihr irgendwann mal wieder bei Muttern selbstgemachte Sülze mit Bratkartoffeln essen wollt und dazu ein kühles deutsches Bier trinken – dann haltet jetzt drauf. Denkt an nichts. Nur laden, abziehen, laden, abziehen … Entweder schwenken die Iwans ab, oder wir gehen dabei drauf! Es gibt keine Alternative.«
    Die Jungs hatten genickt. Der Chef sprach immer so, als wenn er eine Rede halten wollte. Alternative. Und das beim Anblick von über dreißig stählernen Riesen, beim Gedröhn von sechzig tonnenschweren Stahlketten. Die Panzer kamen allein, ohne aufgesessene oder im Schutz der Ungetüme hinterherrennende Infanterie. Es war lediglich ein Ausflug der Iwans, eine Art Neugier, um festzustellen, wie sich die Deutschen benehmen, wenn T 34 durch die Gegend fahren. Das Land gehörte ihnen sowieso schon wieder, und wenn die große Offensive noch nicht über die Deutschen walzte, dann nur, weil Stalin, der den großen Schlag selbst überwachte, noch mehr Truppen aus den Weiten Rußlands an die westliche Front karren ließ.
    Und sie luden und zogen ab, schossen den dünnen Lauf glühend, jagten Schuß um Schuß gegen die T 34, gut gedeckt durch einen kleinen Hügel, in den die Granaten der Panzer hineindonnerten, Erdfontänen in den blauen Sommerhimmel jagten, Trichter nach Trichter aufrissen, bis der Erdhügel wie ein grauer Schweizer Käse aussehen mochte. Die Granatsplitter zirpten durch die heiße Luft, rasierten Büsche und Baumkronen ab. In diesem Inferno hockten die sieben Mann neben Hauptmann von Baldenow hinter der leichten Flak und zielten ruhig jeweils auf den sowjetischen Panzer, der ihnen am nächsten gekommen war. Venno von Baldenow hatte selbst das Zielgerät übernommen, hockte auf dem Eisensitz, visierte das Ziel an, kurbelte den Schußwinkel und schrie seine Angaben.
    Nach jedem Abschuß, immer wenn eine Stichflamme aus einem Panzer hochschoß oder mit einer Explosion der Turm wegflog, brüllten die sieben Mann und der Hauptmann »Hurra!« und kümmerten sich dann um das nächste stählerne Ungeheuer.
    Beim sechsten Verlust hielten die Sowjets ihren Erkundungsvorstoß an. In langer Kette standen sie auf dem freien Feld, schossen konzentriert auf den tödlichen Hügel vor sich, erreichten aber nur, daß der ›Schweizer Käse‹ noch mehr durchlöchert wurde.
    »Sie stehen!« sagte Hauptmann von Baldenow. »Jungs, jetzt haben wir sie wie Zielscheiben. Der dritte von rechts, der sieht so frech aus.«
    Nach dem neunten Abschuß schwenkten die sowjetischen Panzer ab und donnerten zurück. Ungläubig starrten die acht Deutschen den abziehenden Ungeheuern nach, bis nur noch eine hohe Staubwolke von ihnen zu sehen war.
    Ein kleines Geschütz und acht Mann hatten einen Vorstoß aufgehalten.
    Die ungeheure Spannung löste sich, die Herzen begannen zu zittern. Sie rissen die Arme hoch, jubelten, umtanzten wie Irre das Geschütz, fielen sich in die Arme, standen dann vor Baldenow stramm, brüllten: »Gratuliere, Herr Hauptmann!« Und: »Bitten um Verzeihung, Herr Hauptmann!« und umarmten dann auch ihren Chef, küßten ihn auf die Wangen und trugen ihn auf den Schultern um die Kanone. Das war ganz unmilitärisch, so benimmt sich eine siegreiche Fußballmannschaft, aber man war ja allein auf weitem Feld, niemand sah es, und mit Hauptmann von Baldenow konnte man das machen. Er war ein Kumpel, wie man so sagt, nicht bloß Träger von silbernen Schulterstücken mit zwei silbernen Sternen darauf.
    Von Heldentum, wie es seitdem hieß, wenn man Venno von Baldenow in seinem ehrenhaft verdienten Heimaturlaub in Ostpreußen von Gut zu Gut herumreichte und ihm vor allem die heiratsfähigen Töchter vorführte – mit achtundzwanzig Jahren hätte ein Mann von der Qualität, vor allem auch der finanziellen Quantität eines von Baldenow eigentlich schon längst einen eigenen Hausstand haben müssen –, von Heldentum war demnach nicht die Rede bei jenen, die sich in solchen verzweifelten Frontsituationen auskannten. Dennoch genoß Venno die drei Wochen Heimat mit vollen Zügen. Von der deutschen Heeresgruppe Südukraine war ein Wink gekommen: Das Ritterkreuz war eingereicht! Das EK I, das Venno gefehlt hatte, war nur die Vorstufe gewesen an der Trittleiter

Weitere Kostenlose Bücher