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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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saßen sie einander gegenüber und tranken schweigend das erste Glas. Asgard hatte seinen Uniformrock ausgezogen; das Deutsche Kreuz in Gold störte jetzt nur. Nicht mehr von persönlicher Tapferkeit sollte jetzt die Rede sein, sondern vom nackten Überleben.
    »Ich weiß, was du sagen willst«, nahm Elmfried Kuehenberg das Gespräch auf. »An der Front sieht es schlecht aus.«
    »Sehr schlecht, Vater.«
    »Aber der Führer wird wissen, wie es weitergeht.«
    »Vater!« Asgard starrte den alten Mann an. »Zwing mich nicht zu der Frage, ob du glaubst, was Goebbels jede Woche im ›Reich‹ schreibt! Seit Stalingrad geht es nur noch zurück. Überall nur Rückzüge, verlorene Schlachten, kopflose Armeen, weil Hitler dauernd die Kommandeure auswechselt. Wir haben in einem Jahr mehr verloren, als wir in sechs Jahren gewonnen haben. Und das ist nur der Anfang. Der Sommer 1944 wird das Ende des deutschen Abenteuers Rußland sein.«
    »Das glaube ich nicht!« sagte der alte Kuehenberg stur. »Und ich will so etwas auch nicht aus dem Mund eines deutschen Offiziers hören, der das Deutsche Kreuz in Gold trägt! Von meinem Sohn schon gar nicht!«
    »Vater …«
    »Beweise!«
    »Die habe ich! Der Ib von Schörner hat sie mir vertraulich mitgeteilt, als er erfuhr, daß ich aus Livland komme.«
    »Ausgerechnet Schörner!« Elmfried Kuehenberg winkte mit dem langstieligen Weinglas ab. »Panikmache!« Er schwenkte das Glas rund um sich herum. »Merkst du hier was vom Krieg? Tiefster Frieden ist hier. Hier ist deutsches Land, und es bleibt deutsch!« Elmfried setzte das Glas ab. »Und nun du mit deiner Argumentation! Da bin ich gespannt.«
    »Ich habe keine Emotionen anzubieten, keine Idealbilder aus der ›Gartenlaube‹, sondern nüchterne militärische Zahlen. Bei Narwa steht die Leningrader Front unter General Gowrow mit drei Armeen! Bei Pleskau wartet die 3. Baltische Front unter General Maslennikow mit vier Armeen! Vor Idriza-Rossitten marschiert die 2. Baltische Front unter General Jeremenko mit drei Armeen auf. Südlich Dünaburg ist es ganz schlimm: Da steht die Baltische Front unter General Bagramjan mit sechs Armeen! Und Wilna gegenüber liegt die 3. Weißrussische Front unter Marschall Tschernjachowski mit drei Armeen in Bereitschaft. – Vater, das sind neunzehn voll ausgerüstete sowjetische gegen vier deutsche, ausgeblutete Armeen! Wir blicken auf eine Wand, die aus Tausenden von Geschützen besteht, aus Tausenden von Panzern und über einer Million Rotarmisten. Ausgeruhte Truppen. Mit Munition vollgestopft! Mit überquellenden Benzinlagern. Und wir? Unsere Tigerpanzer kämpfen um jedes Benzinfaß! An der Front, vorne, Vater, in den Schützenlöchern, müssen wir die Munition abzählen und Buch führen über jeden Schuß! Handgranaten werden zugeteilt, als gäbe es sie auf Lebensmittelkarten. Unsere Artilleristen umtanzen jeden neuen Munitionswagen, als sei es Weihnachten.« Asgard holte tief Luft und sah seinen nun doch etwas verstörten Vater an. »Sind das Zahlen genug, Papa?«
    »Und der Führer?« fragte Elmfried leise.
    »Er gibt den Befehl: Keinen Schritt zurück!«
    »Na also!«
    »Und wenn neunzehn Armeen auf einen Schlag losrollen?!«
    »Wir sind nur kleine Leute, mein Sohn.« Der alte Kuehenberg füllte die Gläser wieder, »wir sehen die Lage aus der Ameisenperspektive. Der Führer aber überblickt alles! Und Keitel! Und Jodl! Und Göring! Sind das alles Schwachköpfe? Will das ein Offizier behaupten, mein Sohn, der für persönliche Tapferkeit vor dem Feind …«
    »Was hat das mit unserer Lage zu tun, Papa?« Asgard sprang auf. »Deine Führergläubigkeit wird dein Todesurteil sein, wenn du jetzt nicht handelst!«
    »Handeln?« Der alte Kuehenberg blickte seinen Sohn betroffen an. »Was verstehst du darunter?«
    »Ich bin in Urlaub gekommen, um mit dir zusammen Gut Thernauen zu evakuieren …«
    »Evakuieren?!« fragte der Alte, als habe er einen Hörfehler.
    »Ja, Vater!«
    »Ausreißen also? Flüchten? Dem Russen den Arsch zeigen! Alles aufgeben, was in zweihundertfünfzig Jahren aufgebaut wurde?! Das Gut, die Wälder, den See, die Pferde, die Felder – einfach weglaufen? Bitte, ihr Herren Kommunisten, bedient euch! Wir Kuehenbergs rennen wie die Hasen durch die Furchen davon! Ins andere Revier. Nach Pommern, Mecklenburg, Brandenburg – wohin denn, mein kluger Sohn?!«
    »Zu deinem Bruder nach Essen.«
    »Der wird sich bedanken, wenn ich mit hundertsiebzig Pferden, hundertzwanzig Kühen,

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