Sie waren zehn
nach Oslo!« sagte Adler laut. »Befehl ist Befehl! Aber ich lasse mich nicht auf einen Gaul verschaukeln! Kreutzer, ich komme zurück. Leutnant Henrici braucht gar nicht auszupacken! In drei Tagen singen wir wieder miteinander: ›Die Mädchen aus dem Nordenland – sind für ihr Dingelingeling bekannt …‹«
Am Nachmittag traf Leutnant Henrici , ein junger Offizier frisch von der Kriegsschule, mit einem britischen Beutejeep in dem Bergdorf Sauda ein. Adler wartete bereits mit kleinem Gepäck, sein Grammophon und die Platten gehörten dazu.
»Gehen Sie baden, Kamerad«, sagte Adler zu Henrici , »bräunen Sie ihre weiße Haut, angeln Sie Lachse – Sie können meine Angel benutzen –, unternehmen Sie eine Bootsfahrt und suchen Sie nach keinem Weiberrock. Hier gibt es keinen. Ihre Klamotten auspacken brauchen Sie nicht. Faulenzen Sie mal drei Tage. Was zu tun ist, macht schon Oberfeld Kreutzer. Am Montag bin ich wieder da … Stellen Sie sich den Blödsinn vor: Ich soll reiten lernen!«
Er war nach drei Tagen nicht wieder da. Man sah ihn überhaupt nicht wieder.
Kuehenberg, Asgard
28 Jahre
Hauptmann
Elmfried Kuehenberg war einen Tag lang rundum glücklich: Sein Sohn Asgard, Hauptmann an der russischen Front bei Orgajew im Süden der Ukraine, war in Urlaub gekommen. Anlaß war die Verleihung des Deutschen Kreuzes in Gold, das die deutschen Landser respektlos das ›Spiegelei‹ nannten, ein Orden, der nur für persönlichen mutigsten Einsatz verliehen wurde, weshalb ihn manche Offiziere höher einschätzten als das Ritterkreuz, das die meisten ›für die Truppe‹ bekamen. Generaloberst Schörner, der Chef der Heeresgruppe Süd-Ukraine, hatte Asgard Kuehenberg eigenhändig das ›Spiegelei‹ an den Rock gesteckt und ihm dann drei Wochen Heimaturlaub gegeben.
»Wo sind Sie zu Hause?« hatte er Kuehenberg gefragt.
»Meine Familie stammt aus Livland, Herr Generaloberst«, hatte Kuehenberg geantwortet. »Nördlich von Dünaburg.«
Schörner hatte darauf nichts Besonders gesagt. Er hatte Kuehenberg bloß die Hand gedrückt, sehr kräftig, und bemerkt: »Kommen Sie gesund wieder zur Truppe, Herr Hauptmann.« Kuehenberg hatte sich bedankt, kehrtgemacht und war gegangen. Was Schörner nicht sagen durfte, wußte er vom Ib der Heeresgruppe: Die Lage war beschissen! Jeden Augenblick konnte der Russe seine Großoffensive starten. Die Truppenmassierungen, der Aufmarsch an Panzern und Artillerie war – wenn man Canaris glauben konnte – die größte Heeresschlacht, die jemals in einem Krieg zusammengezogen war. Nur Hitler glaubte es nicht. Für ihn war die Stille an der Ostfront ein Zeichen, daß die Sowjets am Ende waren, müde, ausgeblutet, nach der Winteroffensive erschöpft. Im April war sie zum Stehen gekommen. Unmöglich, daß die Russen schon im Juni wieder zu einer noch stärkeren Offensive fähig sein konnten.
Asgard Kuehenberg war nach Gut Thernauen gekommen, um seinen Urlaub gut auszunutzen. Er wollte sich nicht erholen, nicht faulenzen, in Bekanntenzirkeln Vorträge über die Front halten oder sich um seine Braut Luise von Serlock kümmern, denn erstens war es ihm zuwider, sich wegen des ›Spiegeleis‹ herumreichen zu lassen und den Helden zu spielen, und zweitens hatte man ihn mit Luise von Serlock quasi vom Kinderwagen aus verlobt. Die Familien Serlock und Kuehenberg waren seit Generationen befreundet, und nun spielte das Schicksal mit, indem der einen Familie eine Tochter und der anderen ein Sohn geboren wurde, die altersmäßig und auch im allgemeinen prächtig zueinander paßten. In ihren Kreisen galt die Hochzeit zwischen Asgard und Luise als sicher, sobald der Krieg gewonnen war. Der Krieg!
Auf Gut Thernauen züchtete man weiter die rassigen Pferde und erntete die Felder ab, als gäbe es im Osten keine Front und keine sowjetischen Armeen, die sich darauf vorbereiteten, einen riesigen Kessel zu bilden und die Deutschen entweder ins Meer zu treiben oder systematisch zu vernichten. Das große Ziel lag vor den Sowjets, der Stoß ins deutsche Ostherz: Ostpreußen!
Einen Tag lang machte Asgard Kuehenberg die Gratulationstour der Grundbesitzer mit. Er drückte Hände, ließ sich fotografieren, tanzte Walzer mit allen Damen. Dann sagte Kuehenberg: »Schluß, Vater!« und holte eine Flasche Rotwein und zwei geschliffene Gläser mit langen Stielen aus dem geschnitzten Weinschrank.
Vor dem Kamin, der im Sommer nicht brannte, aber zu jeder Jahreszeit der Lieblingsplatz des alten Elmfried Kuehenberg war,
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