Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
geboren«, sagte er. »In Lettland. Kennst du Lettland? Nicht? Da haste was verpaßt. Der Angern-See an der Rigaer Bucht, die Birkenwälder, die weiten Felder, die Ostsee, wo du im weißen Sand noch Bernstein finden kannst. Dieses Land hat Gott liebgehabt, als er es schuf.«
    Man wurde nie klug aus Oberleutnant Adler. Ob er wirklich betete, wußte keiner – gesehen hatte man es jedenfalls noch nicht. Aber daß er ein anderer Mensch wurde, wenn er Beethoven oder Brahms, Mozart oder Richard Strauss hörte – das konnte man bezeugen. In Oslo hatte er sogar schon ein Wehrmachts-Sinfonie-Orchester dirigiert und hinterher – ganz unmilitärisch – in den donnernden Applaus hinein geweint. Und Landser, die durch Zufall zu ihrer Beobachtung gekommen waren, berichteten, daß der ›Chef‹ in seinem Holzhaus am Rande des Dorfes Sauda vor seinem Plattenspieler stand und mit einem dünnen Stock die Musik dirigierte und sogar einmal laut gesagt haben soll: »Toscanini, das war zu langsam genommen! Das ist eine Vivace-Stelle, da muß man lebendiger sein!«
    Süd-Norwegen. Der Sauda -Fjord mit seinen 1.100 m hohen Felsenufern. Ein Naturwunder von ernster, erhabener, unnahbarer Schönheit. Silbern glänzendes Wasser, kleine, rauschende Fälle, schmale, grüne Almen, halsbrecherische Bergstraßen, schwarzgrüne Nadelwälder.
    Wie weit, wie unendlich weit ist der Krieg.
    Eine Nachrichteneinheit ist dazu da, ihr Ohr überall zu haben. Sie ist nicht nur Leitstelle und Zwischenstation, sie hört auch vieles, was über ihre Leitungen fließt und nicht für sie bestimmt ist. Meldungen, Kommandeurgespräche, Befehle, Urteile, Suchanzeigen, Versetzungen, Mutmaßungen, Propaganda. Einmal sogar blockierten zwei Majore die Leitung: Sie erzählten sich Witze aus der untersten Sohle und brüllten vor Lachen. Der Funker am Kopfhörer stenographierte fleißig mit.
    An diesem Vormittag rannte der Funkzugführer III – ein Oberfeldwebel – über den schmalen Bergpfad hinauf zur Alm, wo sein Chef nackt in der Sonne lag und Puccinis ›Madame Butterfly‹ hörte. Mit Maria Cebotari und Helge Roswaenge .
    Beim Militär ist auch ein nackter Oberleutnant ein Oberleutnant. Oberfeldwebel Kreutzer knallte die Hacken seiner Bergschuhe zusammen und meldete stramm:
    »Ein Funkspruch der Kommandantur Bergen. Herr Oberleutnant soll sich in Oslo melden!«
    »Die in Bergen sind besoffen!« sagte Adler. Er streckte sich, schob die Hände unter den Nacken und blinzelte in die Sonne. Oberfeldwebel Kreutzer schaute hilflos auf seinen nackten Chef hinunter.
    »Ich habe sogar rückgefragt und bekam einen gewaltigen Anschiß! Mit so etwas mache man keine Witze, haben die geschrien. Der Befehlshaber in Oslo habe selbst den Befehl durchgegeben.«
    »Was?« fragte Adler. Gerade sang Roswaenge : ›Leb wohl, mein Blütenreich‹. Roswaenges hohes C war in der ganzen Welt bekannt, selbst bei 35 Grad Hitze lief einem dann ein kalter Schauer über den Rücken. »Was will Oslo?«
    »Meldung beim Oberbefehlshaber Norwegen. Dann sofortige Weiterfahrt nach Berlin. Ohne Aufenthalt nach Eberswalde. Offiziersreitschule …«
    »Die sind doch besoffen!« Adler richtete sich auf und zog die Beine an. »Ich habe mich an die Berge gewöhnt. Was soll ich im Sattel? Außerdem kann man eine solche Versetzung nicht befehlen. Da muß vorher gefragt werden! Ich weigere mich. Geben Sie das durch, Kreutzer. Oberleutnant Adler fragt an, wieso er ohne vorherige Anhörung reiten lernen soll.«
    Oberfeldwebel Kreutzer zog die Nase kraus. Das war typisch Chef, aber es kam jetzt zu spät.
    »Der Funkspruch hatte noch einen zweiten Teil, Chef«, sagte er langsam. »Er heißt: Die Nachrichtenabteilung Sauda übernimmt ab sofort Leutnant Henrici . Leutnant Henrici ist bereits von Bergen unterwegs nach Sauda . Oberleutnant Adler kann mit dem bringenden Jeep zurück nach Bergen fahren. Von dort aus erfolgt Weiterleitung.«
    »Bringender Jeep …! Denen haben sie ins Gehirn geschissen!« Er stellte den Plattenspieler mit ›Madame Butterfly‹ ab und erhob sich. Nackt lief er auf der kleinen Alm auf und ab, ging zum Rand des Plateaus und blickte hinunter in den Fjord. Mehrere hundert Meter Steilküste, zerklüftete Felsen, lagen unter ihm. Der von seinen Männern geklaute Pionierponton dümpelte im sonnendurchleuchteten Wasser. Drum herum wimmelten schwarze Punkte, Köpfe. Seine Männer beim Vormittagsdienst: Schwimmlehrstunde. Dabei konnten sie alle schwimmen wie die Hechte.
    »Verdammt, ich fahre

Weitere Kostenlose Bücher