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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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geschrieben. Jetzt stand dort: Gabrielle und Alexander.
    »Ein Phänomen!« sagte Hauptfeldwebel Bülles. »Ich kenne das von Köln. Wenn eine Nutte wirklich liebt …«
    In der Tat: Man konnte leben in Grandchamps-les-bains wie Gott in Frankreich. Aber auch Paradiese haben eine Pforte, durch die man hineinkommen und durch die man es auch verlassen kann.
    Oberleutnant Lippe, der einmal täglich seine Schreibstube besuchte, sah den Schreiber entgeistert an, als der ihm einen Zettel hinschob.
    »Telefonische Durchsage, Herr Oberleutnant. Habe mitgeschrieben. Kommt von der Division.«
    »Von wem?«
    »Von unserer 352.!«
    »Neumann, Sie stinken aus allen Poren nach Calvados!« Oberleutnant Lippe riß ihm den Zettel aus der Hand. »Ich habe fest damit gerechnet, daß die Division gar nicht weiß, daß es uns überhaupt gibt! Wie? Um Dallburg geht es? Na, so was!« Er überflog das Telegramm und starrte dann den Schreiber ziemlich dümmlich an. »Haben Sie das gelesen, Pflanzl ?«
    Gefreiter Pflanzl nahm Haltung an. »Ich hab's doch mitgeschrieben, Herr Oberleutnant!«
    »Die ganze Division ist besoffen! Dallburg soll weg? Nach Berlin? Da kommt er doch gerade her! Jetzt laufen die Befehle schon langsamer als die Männer! Das hat sich gekreuzt. Ich rufe an.«
    Bei der 352. Infanterie-Division, deren Stab in einem schönen, verträumten Landschlößchen mit vielen kleinen Türmchen saß, hatte man andere Sorgen als den Fähnrich Dallburg oder Oberleutnant Lippes Zweifel. Neueste Meldungen besagten, daß die Invasion unmittelbar bevorstand. Deutsche Aufklärer brachten Luftbilder mit, die einem den Atem verschlugen. Rommel beschwor Hitler, die ziemlich offene Front in Frankreich aufzufüllen. Er verlangte neue Divisionen. Die Antwort Keitels war deutlich: »Woher nehmen, Herr Kamerad? Von der Ostfront können wir nicht einen Mann abziehen, aus Italien auch nicht. Sie müssen sich mit dem Nachschub aus dem Reich begnügen.«
    Das bedeutete: Junge Burschen, fast noch Kinder. Im Schnellverfahren ausgebildet. Beim ersten Trommelfeuer würden sie weinen oder nach ihrer Mutter rufen.
    Oberleutnant Lippe im schönen Grandchamps -les- bains wurde am Telefon angeranzt. Der Befehl sei tatsächlich vom OKW, wie könne man dran zweifeln, die Sache sei brandeilig, Fähnrich Dallburg müßte eigentlich schon längst unterwegs sein …
    Lippe legt auf. Hauptfeldwebel Bülles kratzte sich den Nasenrücken.
    »Wo ist Dallburg?« fragte Lippe.
    »Zwischen den Beinen von Gabrielle, wo sonst?« antwortete Bülles . »Ich hole ihn heraus!«
    »Das übernehme ich.« Oberleutnant Lippe setzte sich in seinen Kübel und fuhr an den Strand. Dallburgs Wohnung war unverschlossen. Gabrielle lief mit aufgelösten schwarzen Haaren in einem seidenen Morgenmantel herum, pfeifend wie ein Vögelchen und rundum glücklich. In der kleinen Wohnung roch es nach starkem Kaffee und frischen Croissants. Dallburg stand halb nackt im Badezimmer und rasierte sich. Pinsel in der Hand, Schaum im Gesicht, stand er sofort stramm, als er Lippe erkannte. Gabrielles Augen flimmerten plötzlich nervös. Ihr weiblicher Instinkt gab Alarm.
    »Dallburg«, sagte Lippe väterlich. »Es tut mir wirklich leid, Sie aus Ihrer Idylle zu reißen, aber der Krieg findet nun mal nicht nur im Bett, sondern auch an normalen Fronten statt. Marschbefehl!«
    »Rußland?« fragte der kleine Dallburg leise. Ich habe es geahnt, dachte er. Es mußte eines Tages so kommen. Frontbewährung eines Fähnrichs, der Leutnant werden will, kann unmöglich Frankreich sein. Nicht das jetzige Frankreich.
    »Pustekuchen!« Lippe schüttelte den Kopf. »Zurück nach Berlin! Nach Eberswalde. Das OKW jammert nach Ihnen …«
    »Das OKW? Wieso?«
    »Fragen Sie Keitel! Los, rasieren Sie sich fertig, springen Sie zum Abschied noch mal über Gabrielle, es wird das letztemal sein – und dann ab wie die Feuerwehr zur Division! Wenn's nach denen ginge, würden Sie mit einer Rakete nach Eberswalde geschossen.«
    Oberleutnant Lippe verließ die Wohnung, um Dallburg das Abschiednehmen zu ermöglichen. Es war ein stiller, schmerzhafter Abschied.
    »Ich hole dich nach Deutschland, chérie …«, sagte Dallburg. »Nach dem Krieg heiraten wir. Ich liebe dich.«
    Sie nickte, knöpfte ihm den Uniformrock zu, bürstete völlig sinnlos über seinen Rücken, rückte sein Koppel gerade. Als er seine Mütze aufsetzte und den korrekten Sitz im Spiegel kontrollierte, weinte sie doch.
    Sie brachte ihn nicht bis zur Tür, winkte ihm nicht

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