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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Unwissenheit erhöhte die Spannung mehr, als an der Front die Erwartung eines sowjetischen Gegenstoßes. Dort wußte man: Da drüben liegt der Iwan, und gleich kommt er in erdgrauen Wellen aus den Gräben und Löchern. Die Artillerie hämmert schon den Weg frei, zerfetzt die deutschen Drahtverhaue, pflügt die Granattrichter vom letztenmal um …
    Aber hier wußte man gar nichts. Man spürte nur: Die Jovialität , mit der Oberstleutnant Hansekamm sie empfangen hatte, übertünchte eine ganz dicke Sache. OKW – Führerhauptquartier – zehn Offiziere, alle aus dem Osten …
    »Ich ahne etwas«, sagte Detlev Adler plötzlich. »Wir werden der Wlassow-Armee zugeteilt oder dem Kosakenregiment von Pannwitz. Wir sollen aus freiheitsliebenden Russen deutsche Soldaten machen. – Ist das eine Scheiße!«
    »Noch 'n Lied?« sagte Solbreit dumpf.
    »In Honolulu, im Land der Amazonen
und auf Samoa ist alles gleich.
Da gehn die kleinen Mädchen
zum Tanze in das Städtchen,
ohne Hemd und ohne Höschen
mit einem Feigenblatt,
das Löcher hat …«
    »Aufhören!« sagte Labitz hart. Solbreits Mund klappte hörbar zu. Zum erstenmal spielte Labitz seinen Majorsrang aus. »Uns allen steht's bis zum Hals! Ich werde morgen früh ver suchen, mehr aus Hansekamm herauszuholen als ›Führerhauptquartier‹. Hüpfen wir in die Betten! Eins ist uns allen sicher völlig klar: Reiten sollen wir hier nicht lernen! Eberswalde ist als unser Versteck bestimmt. Ich werde herausbekommen, warum man uns versteckt!«
    »Machen wir die zweite Flasche Wodka auf, meine Herren«, sagte Semper. »Was wir gesoffen haben, kann uns keiner mehr nehmen. Wer weiß, ob uns das OKW ab morgen nicht nur noch die Milch der frommen Denkungsart zuteilt.«
    Die zehn stimmten ab und stimmten zu. Die zweite Flasche Wodka kreiste in Kuehenbergs Zimmer. Draußen stand eine helle Mondnacht über der märkischen Landschaft. In den Ställen wieherten müde die Pferde, scharrten, prusteten. Ein Pendelposten, das Gewehr umgehängt, marschierte einsam um die Blocks herum. Weit weg rumorte es dumpf. Flak. Ein Luftangriff. ›Meiers Nachtgebet‹. Aber Eberswalde war eine friedliche Oase. Kiefernumsäumt, von Junisonne durchtränkt. In der Nacht atmete der Boden die Wärme aus und sog den Tau aus den Wolken.
    Solbreit sang gegen drei Uhr morgens noch eine kleine Sauerei, dann brach man auf, verteilte sich auf die zugewiesenen Zimmer und fiel wodkaschwer ins Bett.
    Nur Kuehenberg saß noch am Fenster und blickte über den im Mondlicht fahlen Reitplatz. Hoffentlich räumen sie Thernauen rechtzeitig, dachte er. Wenn sie jetzt evakuieren, können sie die Zuchthengste mitnehmen und ein paar gute Mutterstuten. Das wäre ein gutes Anfangskapital nach dem Krieg. Vater, warte nicht zu lange!
    Am nächsten Morgen saßen sie mit verquollenen Augen und pelzigen Gaumen am Frühstückstisch. Zwei Ordonnanzen bedienten sie mit stummer Aufmerksamkeit. Auch für die Mahlzeiten hatte man einen Raum eigens für die zehn freigemacht; er lag auf dem gleichen isolierten Flur. Völlig sinnlos, die beiden Obergefreiten, die mit der Lässigkeit gelernter Kellner servierten, zu fragen, was hier eigentlich los sei. So ging es beim Frühstück ziemlich einsilbig zu, man glotzte sich aus rotumränderten Augen an, und Peter Radek sprach allen aus der Seele:
    »Mein lieber Semper, was Sie an Wodka mitgebracht haben, muß in der Hölle gebrannt worden sein! Habt ihr das Zeug dort immer getrunken?«
    »Immer!«
    »Und habt dabei noch Russen sehen können?!«
    »Und wie! Doppelt vergrößert. Das machte uns so schußsicher und beim Iwan gefürchtet …«
    Ein paar grinsten müde. Landserleben! Vorgestern noch war man mittendrin gewesen – jetzt hockte man an einem weißgedeckten Tisch und frühstückte von Porzellan, klopfte das Ei vornehm wie im ›Adlon‹ auf und aß das Brot mit Messer und Gabel.
    Oberstleutnant Hansekamm stieß zu den zehn, als die Kaffeerunde fast beendet war und die Ordonnanzen Zigaretten herumreichten. Flache Stäbchen, die nach Stroh schmeckten und ›Orientzigaretten‹ genannt wurden. Solbreit, Adler und Semper hatten noch russische Papyrossi bei sich. Man ließ die Flachstäbchen liegen und paffte das sowjetische Kraut. Daran hatte man sich gewöhnt, auch an die fast schwefelgelben Rauchwolken. »Mücken gab es bei uns nie!« sagte Solbreit, der Pripjet-Sumpf-Fachmann. »Wenn unsere Kompanie geschlossen rauchte, vernichteten wir sogar die Brut.«
    Oberstleutnant Hansekamm begrüßte die

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