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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vom Fenster aus nach. Als unten die Tür zugefallen war, saß sie wortlos und mit plötzlich gealtertem Kindergesicht vor dem Spiegel, in den er zuletzt geblickt hatte. Dann nahm sie einen Aschenbecher aus Messing von Tisch, schleuderte ihn in den Spiegel und starrte auf die Scherben, die nach allen Seiten durchs Zimmer spritzten.
    »Adieu!« schluchzte sie, ohne ihre Starrheit aufzugeben. »Oh, cette guerre infernale …«
    In Abständen von knapp zehn Stunden trafen sie in Eberswalde ein. Meistens mit einmotorigen Kurierflugzeugen vom Typ Fokker, die auch auf dem improvisierten Flugfeld, einem festgewalzten Acker, landen konnten. Der kleine Dallburg kam als letzter, nicht weil es von der Normandieküste weiter als von Rußland gewesen wäre, sondern weil man bei der 7. Armee des Generals Dollmann, wohin man Dallburg von der Division verfrachtet hatte, den unscheinbaren Fähnrich warten ließ. Ein Kurierflugzeug für einen einzelnen Mann nach Berlin? Du lieber Himmel … Gerade lagen die neuen Luftaufnahmen der Aufklärer vor. Danach war die Südküste Englands ein einziges Heerlager. Wenn man jetzt einige Bombergeschwader gehabt hätte, mit dem nötigen Jagdbegleitschutz, wäre jede Bombe ein Volltreffer gewesen. Aber wo waren sie, die Bomber? Wo war die deutsche Luftwaffe des Reichsmarschalls Göring? Fast ungehindert strömten die amerikanisch-britischen Bomberverbände tief nach Deutschland hinein und zerstörten planmäßig die Städte, die Rüstungsfabriken, die Nachschubwege, die Tanklager, die Bunkerwälle an den Küsten. Wie verstörte Motten kreisten einige deutsche Jäger um die Kampfgeschwader der Alliierten. Die Hauptarbeit hatte die Flak zu leisten. Nacht für Nacht tasteten Hunderte Scheinwerfer den deutschen Himmel ab, bellten Hunderte von Flugabwehrkanonen – ein paar Nadelstiche nur gegen die Massierung der Flugzeuge, die bei jedem Einsatz Zehntausende von Tonnen Sprengstoff über deutsche Städte regnen ließen.
    Die Luft gehörte den Alliierten. Der Kampf um den Luftraum war für Deutschland längst verloren. Die Zeit, da Göring gesagt hatte: »Wenn ein einziges feindliches Flugzeug über Deutschland erscheint, will ich Meier heißen«, wurde allenthalben verdrängt. »Wie viele Meiers gibt es in Deutschland? Nur einen! Den Reichsmeier. Die anderen Meier mußten ihren Namen ablegen!« Der Witz kostete wegen Wehrkraftzersetzung Zuchthaus, KZ oder – wenn ein besonders strammer Kriegsrichter am Werke war – sogar das Leben!
    Der große Tag X schien greifbar nahe zu sein. Aber weder der Oberbefehlshaber West, Generalfeldmarschall von Rundstedt, noch die Chefs der Heeresgruppen B und C, Rommel und Blaskowitz , erreichten bei Hitler mehr als ein heiseres Bellen. Die letzten Reserven waren bereits zusammengekratzt. Der alte Satz ›Auf zehn Feinde kommt ein deutscher Soldat‹ kursierte wieder. So betrachtet, stimmte das Kräfteverhältnis. Nur von der ungeheuren Materialüberlegenheit sprach niemand. Rüstungsminister Speer stand vor zerbombten Produktionsstätten und leeren Vorratslagern. Es gab keine Rohstoffe mehr.
    Und gerade jetzt will ein kleiner Fähnrich ein eigenes Kurierflugzeug haben?! Nur auf ein Telegramm des OKW hin? Soll doch das OKW selbst eine Maschine 'rüberschicken, wenn es sich Fähnriche ansehen will …
    Der kleine Dallburg, mit seinem Herzen noch bei Gabrielle, noch tief bedrückt vom Abschiedsschmerz, lief bei der Armee herum und flog überall hinaus. Ein Verbindungsoffizier zur Luftwaffe ebnete Dallburg endlich den Weg – fast neun Stunden nach seinem Eintreffen bei der Armee.
    Es war ein Springen. Zuerst nach Paris, dann nach Brüssel, von Brüssel nach Hannover und von dort endlich nach Berlin. In Berlin, wo er sich brav beim OKW meldete, erhielt er sofort einen Wagen und wurde nach Eberswalde gebracht. Vorher mußte er noch einen Bericht abliefern über die Lahmarschigkeit der Dienststellen in Frankreich.
    »Typisch!« sagte ein Offizier im OKW. »Frankreichs Geheimwaffe sind Weiber, Wein und Kognak! Du lieber Himmel, wenn es da mal losgeht! Die sind sogar zum Weglaufen zu fett geworden …«
    Ein ungerechtes Urteil. Das große Sterben stand unmittelbar bevor.
    Alexander Dallburg erschien also als letzter in dem Wohnflügel der Offiziersreitschule Eberswalde, in dem man die zehn Abkommandierten untergebracht hatte. Sie waren isoliert, als trügen sie eine hochinfektiöse Krankheit mit sich herum. Allein ihr Flur war belegt, die anderen Zimmer in diesem Wohntrakt waren

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