Sie waren zehn
von drei SS-Obergruppenführern. »Dicke Luft heute! Himmler tut, als habe er den Stein der Weisen verschluckt. Ich mag ihn nicht …«
Schmundt trat vom Fenster zurück, als erzeuge ihm der Anblick der schwarzen Uniformen mit den SS-Runen und dem Totenkopf würgende Übelkeit. Renneberg starrte ihn entgeistert an. Schmundt, dachte er, was ist mit Schmundt los? Haben wir den bisher verkannt? »Vergessen Sie das«, sagte Schmundt gedämpft. »Eine laut geäußerte private Meinung.« Renneberg rekapitulierte schnell, was nur wenige wußten: Am 11.2.1944: der Plan, Hitler zusammen mit Himmler durch eine Bombe zu beseitigen. Er konnte nicht ausgeführt werden, da Himmler nicht zu der vorgesehenen Besprechung erschien. – 9.3.1944: Plan, Hitler während einer Lagebesprechung am großen Kartentisch zu erschießen. Da der betreffende Offizier nicht zur Besprechung zugelassen wurde, zerfiel auch dieser Plan. – 15.5.1944: Geheimtreffen zwischen Generalfeldmarschall Rommel und General von Stülpnagel, dem Kommandeur von Paris. Sie besprechen, daß ein Kommando Hitler festnehmen soll. Hitler soll dann vor ein deutsches Gericht gestellt werden. Vorher Ausschaltung der SS. – Bei all diesen Plänen gegen Hitler, die in der ›Wolfsschanze‹ oder bei Hitlers kurzen Besuchen in Berlin ausgeführt werden sollten, wäre auch General Schmundt dabeigewesen. Und jetzt? Oberst von Stauffenberg stand bereit, bei der nächsten sich bietenden günstigen Gelegenheit Hitler zu beseitigen. Das bedeutete, wenn es um ein Bombenattentat ging: auch Schmundt konnte getötet werden. Bei den meisten Lagebesprechungen stand Schmundt mit Hitler am Kartentisch.
»Darf ich eine Bitte vortragen, Herr General?« fragte von Renneberg.
»Wenn sie erfüllbar ist.«
»Verwenden Sie sich beim Führer, daß ich meinen Vortrag halten darf.«
»Sie unterschätzen meinen Einfluß, Renneberg.«
»Bitten Sie Reichsleiter Bormann um Vermittlung.«
»Bormann wird wissen wollen, um was es geht. Ich weiß es ja auch nicht.«
»Ich nehme an, daß der Führer in unseren Plan auch Reichsleiter Bormann einweihen wird.«
»Und Himmler auch?«
»Das wäre nicht in unserem Sinne«, sagte Renneberg vorsichtig.
»Dann ist Bormann der beste Sperriegel für das Geheimnis, das Sie da in der Aktentasche herumschleppen.« Schmundt ging langsam zur Tür und legte die Hand auf die Klinke. »Ich sollte also Bormann einen Wink geben?«
Renneberg nickte ergeben. Es bleibt uns nichts anderes übrig, dachte er. Für den Plan in meiner Tasche und die Nachfolgepläne ist ein Bormann immer noch besser als ein Himmler. Bormanns Hausmacht ist der Führer selbst … Himmler dagegen befehligt ein eigenes, bestens ausgerüstetes Heer von Totenkopfträgern. Bormanns Wort trifft Hitlers Ohr. Aber Himmlers Streitmacht trifft ganz Deutschland. Wenn es einmal keinen Hitler mehr gibt – was wird dann aus Bormann? Aber Himmler kann, seine Totenkopfdivisionen im Rücken, ganz gut ohne Hitler leben …
Göring? Von dem reden wir nicht. Er sitzt immer zwischen zwei Stühlen. Weder Bormann noch Himmler bewundern den Dicken. Und was wäre Göring ohne Bewunderung? Goebbels? Der ist nach allen Seiten offen. Er lebt nur noch von Rundumschlägen gegen Himmler, Bormann und Göring. Das einzige, worauf man sich verlassen kann, ist die Wehrmacht. Die Feldmarschälle Rommel und von Busch, die Generäle Hoeppner, Stülpnagel und Admiral Canaris, der Feldmarschall von Witzleben mit seinem Offizierskreis und die vielen Sympathisanten, die in der Stunde X die Wehrmacht fest im Griff haben.
Aber darum geht es jetzt ja nicht. Es geht um einen Plan, der in seiner Wahnwitzigkeit kaum zu übertreffen ist. Ein Plan mit Doppelwirkung: Ende des Krieges und kurz darauf folgend Ende des NS-Irrsinns.
Renneberg blickte zu General Schmundt, der noch immer an der Zimmertür stand.
»Ja«, sagte er. »Wenn Bormann mir beim Führer Gehör verschafft. Ich hoffe noch immer, daß Feldmarschall Keitel einen Termin für mich herausholt …«
Am Nachmittag des 5. Juni 1944 – Oberst von Renneberg trank in der Offiziersmesse der ›Wolfsschanze‹ eine Tasse Tee mit Zitrone – kam ein Major zu ihm an den Tisch.
»Der Führer will Sie sprechen!« sagte er.
Rennebergs Kopf flog hoch. »Ist das die Möglichkeit?! Hat Schmundt das so schnell mit Bormann regeln können, ohne daß Bormann weiß, um was es geht? Wann?«
»Sofort.«
Renneberg sprang auf, schnallte um, setzte seine Mütze auf und band sich die schwarze
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