Sieben in einem Auto
Übertreibung sagen.
Meine Eltern und Brüder wohnen über mir. Da die Zimmerdecken aus Holz sind und gleichzeitig den oben Wohnenden als Fußböden dienen, hört man jeden ihrer Schritte. Und da Brüder ja bekanntlich keine Katzenpfötchen, sondern schon eher Elefantenfüße haben, kannst du dir vorstellen, welchem Höllengetrampel wir Unterirdischen oft ausgesetzt sind!
Nachts, wenn der Schlaf eingezogen ist, hörst du es geheimnisvoll knistern und rascheln im Haus. Es spukt, denkst du, Dracula geht um und sucht ein Opfer! Aber nein, nicht Dracula treibt sein Unwesen: eine Kompanie von Mäusen ist unterwegs, um unsern Lebensmitteln auf die Schliche zu kommen und sich ihren Anteil zu erhaschen. Ekelhaft, findest du nicht auch? Ich meine, Maus ist Maus und für sich genommen, in so einem Gehege mit Laufrad und dergleichen, kann man ihr freundliche Gefühle entgegenbringen. Aber man ist doch nicht gewillt, seine Nahrung mit zwanzig und mehr dieser Gattung zu teilen! Da hört die Nächstenliebe auf, und das mit Entschiedenheit! Auch in meinem Bett habe ich Mäuse nicht gern, pfui nein, auf keinen Fall! Gestern waren wir Blaubeeren pflücken. Dafür habe ich eine Schwäche, wie du weißt. Die Natur ist ein Teil meiner Leidenschaft. Ich habe bestimmt die meisten gesammelt. Meine Geschwister stöhnten natürlich, besonders die Brüder, weil es ja recht beschwerlich ist, in gebückter Haltung Beere um Beere dem Strauch zu entreißen. Aber ich nahm es als Sport, und darum fiel es mir leicht und machte mir Vergnügen.
Die alte Dame, in deren Haus wir wohnen, die Frau Pfister, ist vom Schicksal hart getroffen: sie hat drei Operationen über ihren Kehlkopf ergehen lassen und kann jetzt nur noch sprechen, wenn sie die eingeatmete Luft mittels Knopfdruck aus ihrer Lunge entläßt und dabei Laute formt. Das bereitet ihr große Mühe und schnarrt eigenartig, aber sie ist natürlich froh, daß sie auf diese Art überhaupt noch der Sprache mächtig ist.
Ich bin trotzdem high, daß wir der Wohnung in Hall den Rücken gekehrt haben, um hier Quartier zu nehmen. Freiheit, damit sage ich dir ja nichts Neues, ist ein weiterer Teil meiner Leidenschaft.
Tschüß bis bald!
Deine Conny
Gegen Mittag kamen Herr und Frau Heger mit Stefan aus Jenbach zurück. Sie brachten einen zwar gebrauchten, aber guterhaltenen Tragesitz und ein paar dicke Scheiben Leberkäse sowie Brot und Butter mit. Frau Heger hatte in Fügen ein Geschäft entdeckt, in dem sie sämtliche Lebensmittel einkaufen konnte. Im Handumdrehen deckte sie den Mittagstisch und rief dann die Kinder herein.
„Na, ihr Stromer“, sagte sie, „gefällt es euch in unserm neuen Heim?“
„Hier ist es prima“, antwortete Christine. „Die schöne Küche hier und der Bach unten am Haus! So was gibt es in Deutschland nicht!“
„Das Klo nicht zu vergessen“, sagte Sascha, „das ist Superklasse! Ich hab sogar schon davon geträumt.“
Nach dem Leberkäse gab es für jeden eine große Schale Blaubeeren, die Jan und Sascha mit Zucker, alle anderen aber ungezuckert aßen. Und dann liefen Jan und Christine wieder zum Bach hinunter, während Conny allein zur Kapelle hinaufwanderte und Sascha sich auf dem Balkon im Liegestuhl eine gesunde Sonnenbräune einbrennen lassen wollte, wie er sagte. Stefan wurde zu Bett gebracht, und die Eltern wollten auch ein Stündchen schlafen.
Nachdem Frau Heger mit Stefan nach oben gegangen war, wusch ihr Mann noch rasch das Geschirr ab. Als er dann ebenfalls die Küche verlassen wollte, fiel ihm ein eigenartiger strenger Geruch auf. Haben wir denn Käse gekauft? wunderte er sich. Ich meine doch nicht, oder? Er dachte jedoch nicht weiter darüber nach, sondern ging zu seiner Frau ins Schlafzimmer hinauf und legte sich hin. Stefan schlief bereits.
„Mir gefällt es hier sehr gut“, sagte Herr Heger. „Wir sind ganz für uns allein und können tun und lassen, was wir wollen, ohne daß uns jemand dreinredet. Und die Kinder sind auch zufrieden, das ist die Hauptsache. Wenn die meckerten, wäre der ganze Urlaub nichts wert.“
„Ich wohne hier auch gern“, stimmte seine Frau zu. „Die Küche ist ja ein bißchen altmodisch eingerichtet, aber das hat auch seine Reize.“
„Hast du eigentlich Käse eingekauft?“ fragte Herr Heger. „Ja, da gab es ein Sonderangebot.“
„Daher also der Geruch in der Küche!“ Er gähnte und drehte sich auf die Seite. Auch Frau Heger schloß die Augen.
Etwa eine Stunde mochten sie geschlafen haben, da wurden
Weitere Kostenlose Bücher