Sieben Jahre Sehnsucht
dem ich gern nacheifere.«
Sie deutete auf ihn, erfasste ihn mit einer graziösen, fließenden Handbewegung von Kopf bis Fuß. »Ich habe dich bei meiner Ankunft kaum wiedererkannt. Deine neue dunkle Kleidung ohne verspielten Zierrat … Das bist du nicht.«
»Ich bin nun mal kein Sinclair mehr«, entgegnete er defensiv. »Ich bin Tarley, und eines Tages – so Gott will, eines fernen Tages – werde ich Pennington sein. Das erfordert eine gewisse Zurückhaltung und Schicklichkeit.«
»Unsinn! Erforderlich sind Verstand und innere Gelassenheit. Deine Fähigkeiten und Ansichten sind für den Titel wertvoller als die sklavische Übernahme der Ansichten und Meinungen deines Bruders.«
»Gelassenheit ist ein Luxus, den ich mir verdienen muss. Im Moment schaffe ich es kaum, mit den Anforderungen Schritt zu halten. Ich weiß nicht, wie Benedict das alles geschafft hat, aber bei Gott, mitunter scheint die Menge an Arbeit nicht bezwingbar zu sein.«
»Du solltest dich mehr auf die Grundstücksverwalter verlassen. Du musst nicht alles selbst machen.«
»Doch, das muss ich, bis ich genug weiß, um jemand anderem die Leitung zu überlassen. Ich kann die Verantwortung für die finanzielle Sicherheit unserer Familie nicht in die Hände von Angestellten übergeben, nur weil es mein Leben vereinfachen und mir den lästigen Aufwand ersparen würde, meine fehlenden Kenntnisse aufzuholen.« Michael warf einen Blick durch das Zimmer und kam sich in dieser Umgebung, die vom Wesen seines Bruders durchtränkt war, wie ein Betrüger vor. Die ernsten Rot- und Brauntöne hätte er nicht gewählt, aber er hatte seit dem Tod seines Bruders in dem Zimmer nichts verändert. Es kam ihm vor, als hätte er kein Recht dazu, und es fehlte ihm auch der Wille. »Im Gegensatz zu Benedict brauche ich mir ja nicht einmal um Calypso Gedanken zu machen, und dennoch fühle ich mich nach wie vor dafür verantwortlich.«
Elspeth schüttelte den Kopf. »Mir ist immer noch schleierhaft, wieso dein Bruder Jessica eine so große Verpflichtung aufgebürdet hat.«
»Dadurch ist sie bis an ihr Lebensende versorgt.«
»Ihr jährliches Einkommen allein genügt, um sie zu einer sehr wohlhabenden Witwe zu machen. Die Plantage hat nicht ohne Grund den größten Teil von Benedicts privatem Einkommen ausgemacht – sie beanspruchte sehr viel von seiner Zeit und seiner Aufmerksamkeit. Der Erhalt der Plantage wird Jessica vermutlich überfordern. Ich finde den bloßen Gedanken an eine derartige Aufgabe schon erschreckend.«
»Bevor Benedict sein Testament fertig schrieb, hat er mit mir darüber gesprochen, und ich konnte nachvollziehen, warum er das so regelte.«
»Dann erklär es mir.«
»Er hat sie geliebt«, sagte Michael schlicht. »Er erzählte, die Insel übe auf Jessica eine geradezu magische Wirkung aus. Benedict bemerkte eine Veränderung in ihrer Persönlichkeit und ihrem Verhalten, was er fördern wollte. Sie sollte die Macht von wirtschaftlicher Unabhängigkeit fühlen, falls sie jemals ohne ihn weiterleben müsste. Er sagte, es habe mit ihren inneren Zwängen und dem Bedürfnis nach absoluter Freiheit zu tun.«
»Er meinte es bestimmt gut, doch sie sollte hier bei uns sein. Es schmerzt mich, sie dort allein zu wissen.«
Michael ergriff die Gelegenheit, um sein eigentliches Anliegen anzubringen. »Ihrer Schwester, Lady Regmont, geht es ähnlich. Und da wir gerade bei Hester sind – was sie betrifft, wollte ich dich um einen Gefallen bitten.«
»Ja?«
»Es wäre schön, wenn du die Beziehung zu ihr vertiefen würdest; sie in deinen gesellschaftlichen Kreis einbeziehst, mehr Zeit mit ihr verbringst.«
Verwundert hob Elspeth die Brauen. »Sie ist bezaubernd, kein Zweifel, aber uns trennen viele Jahre. Ich bin mir nicht sicher, ob unsere Interessen vereinbar sind.«
»Bitte versuche es.«
»Warum?«
Er stützte die Unterarme auf die Knie und beugte sich nach vorne. »Ich fürchte, irgendetwas bedrückt sie. Ich brauche deine Meinung. Dir würde sofort auffallen, wenn etwas nicht stimmt.«
»Ich meinte eher, warum das Interesse an Lady Regmont? Wegen Jessica?«
»In der Tat würde ich Jessica gern entlasten«, wich er aus. »Die Schwestern hängen sehr aneinander.«
»Was wünschenswert und löblich ist. Dennoch verstehe ich nicht, warum dir das Wohlergehen von Regmonts Gattin so sehr am Herzen liegt.« Ihr Ton war eher neugierig als spitzfindig. »Sollte irgendetwas nicht im Lot sein, wird Regmont sich darum kümmern. Du hingegen brauchst eine
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