Sieben Jahre Sehnsucht
als wollte er sie mit seinem Geruch markieren. Jessica fing ihn auf, so wie er vorhin sie aufgefangen hatte, hielt ihn in den Armen, als er erschöpft zusammenbrach, geleitete ihn durch den Sturm.
Beim Abendessen in der Kapitänskabine strich Alistair nervös über den vernarbten Holztisch, den Blick auf Jessica gerichtet, die sich mit dem Kapitän unterhielt.
Sie trug ein Kleid mit hohem Stehkragen, um seinen Liebesbiss zu verdecken, und die in weichem Grau und Purpur changierende Seide erinnerte an ihre Witwenschaft. Wie er es erwartet hatte, sah man ihr an, dass es ihr gerade gut besorgt worden war; ihr Teint strahlte rosig, und ihre Lippen waren geschwollen von seinen Küssen. Ihre Augen glänzten, ihre Stimme klang kehlig, und ihre ausdrucksvolle Gestik hatte an sinnlicher Anmut gewonnen. Alistair hatte sie noch nie so entspannt und so schön gesehen, doch seine Freude darüber wurde durch eine starke innere Unruhe getrübt.
Er war verrückt nach ihr, fühlte sich so stark zu ihr hingezogen, wie er es noch niemals bei einer Frau erlebt hatte. Aber sie wirkte im Vergleich zu ihm erschreckend ruhig und gefasst. Seine Zukunft hatte sich heute dramatisch verändert; alles, was er als unantastbares Gut betrachtet hatte – sein Junggesellentum; seine Freiheit, zu kommen und zu gehen, wie es ihm beliebte; seine Fähigkeit, sich der Gesellschaft zu entziehen, wann immer er es wünschte –, war jetzt dahin. Von nun an würde Jessica bestimmen, in welche Richtung sein Leben verlief, weil er ohne sie nicht leben konnte. Es war eine Erkenntnis, die ihn zutiefst erschütterte. Er wusste seit Langem, dass es seine Bestimmung war, sie zu erobern, doch heute Nachmittag war ihm klar geworden, dass es seine Bestimmung war, sie nicht mehr herzugeben.
Er stieß einen tiefen Seufzer aus und fuhr sich durch das Haar. Über den Rand ihres Weinglases hinweg warf Jessica ihm einen Blick zu und runzelte die Stirn. Er wehrte ihre stumme Sorge mit einer ungeduldigen Handbewegung ab.
Er hatte mehr erhalten, als ihrer beider Wette beinhaltet hatte. Ihre Großzügigkeit im Bett ging weit über das Geschenk ihres Körpers hinaus. Sie hielt nichts zurück. Tränen, Lächeln, aufreizende Worte … Sein Rücken trug die Male ihrer Nägel, aber es waren die inneren Kratzer, die er nun spürte. Sie hatte ihn jede Emotion, die sie während des Liebesakts durchfuhr, miterleben lassen und dabei den Kokon, der um seine Seele lag, Schicht für Schicht aufgeschlitzt. Jedes Mal wenn sie ihn, während er kam, festgehalten hatte, als wollte sie ihn beschützen, hatte sie ein bisschen tiefer geritzt.
Wie zum Teufel konnte sie nach allem, was sie heute Nachmittag miteinander erlebt hatten, so gelassen am Tisch sitzen? Es war beinahe so, als hätte sie das ganze Geschehen ad acta gelegt, doch das konnte nicht sein. Jessica war keine Frau, die sich wahllos sexuellen Abenteuern hingab. Für sie war nicht nur der körperliche, sondern auch der seelische Aspekt entscheidend. Sie musste tiefer berührt sein, als sie wirkte, aber ihr vollkommenes Benehmen umgab sie wie ein Schutzwall. Während er jede Contenance verloren hatte und dies nicht verbergen konnte.
Es kam ihm vor, als bewegten sich die Wände der Kapitänskabine auf ihn zu. Er bekam kaum noch Luft, und ihm wurde heiß. Er schob den Finger zwischen Krawatte und Hals, um das erstickende Gefühl zu lindern.
Das Abendessen schien sich endlos hinzuziehen. Er lehnte das obligatorische Glas Portwein ab und entschuldigte sich, sobald es die Höflichkeit erlaubte. Mit einem kurzen Lächeln in Jessicas Richtung trat er die Flucht an. Auf dem Oberdeck angekommen atmete er die frische Meerluft ein, hielt sich am Dollbord fest und wartete darauf, dass sich sein Gleichgewicht wieder einstellte.
»Mr. Caulfield.«
Beim Klang von Jessicas Stimme schloss er die Augen. Sofort stiegen vor seinem inneren Auge die Bilder des heutigen Nachmittags auf, und Alistair erkannte seinen Irrtum. Jessica war in seinem Kopf; es gab kein Entkommen. »Ja, Jessica?«
»Sind Sie … Geht es dir gut?«
Er blickte auf das Meer hinaus und nickte.
Sie stellte sich neben ihn. Der Mond spiegelte sich verzerrt auf der gekräuselten Meeresoberfläche. »Du warst beim Abendessen so still.«
»Verzeihung«, erwiderte er automatisch.
»Ich würde lieber erfahren, was dich derart beschäftigt hat.«
»Gedanken über dich.«
»Oh?« Sie wandte sich ihm zu. »Wohl keine sehr schmeichelhaften Gedanken, wie ich deiner grimmigen Miene
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