Sieben Jahre später
Augen zu lassen, und sehe, wie sie von einem Kaufhausdetektiv angesprochen wird. Mit dem Walkie-Talkie bewaffnet, befiehlt ihr der Mann, ihr Cape zu öffnen. Sie wehrt sich und gestikuliert so heftig, dass ein Schminktäschchen unter ihrem Mantel hervorrutscht, auf den Boden fällt und ihren Diebstahl verrät.
Der Detektiv packt sie beim Arm und ruft über Funk Verstärkung herbei.
Ich nehme meinen Einkauf und trete zu ihr. Ich bemerke ihre Sommersprossen, die grünen Augen, die langen Lederhandschuhe. Normalerweise drehe ich mich nicht nach Frauen um, denn in Manhattan wimmelt es von hübschen Mädchen, und ich glaube nicht an Liebe auf den ersten Blick. Aber dies hier ist etwas anderes. Es ist einer jener merkwürdigen Augenblicke, die wir alle schon einmal erlebt haben. Der verwirrende Eindruck, verabredet zu sein. Ein seltener Moment.
Ich habe drei Sekunden, um mich zu entscheiden und meine Chance nicht zu verpassen. Jetzt oder nie. Ich öffne den Mund, ohne zu wissen, was ich sagen werde. Die Worte kommen von ganz allein, als wären sie ferngesteuert.
»Also, Madison, du glaubst wohl, du wärst noch auf dem Land!«, rufe ich und versetze ihr einen Rippenstoß.
Sie sieht mich an, als käme ich vom Mars.
Ich wende mich an den Detektiv. »Das ist meine Cousine Madison. Sie kommt aus Kentucky.« Ich blicke auf das Schminktäschchen. »Ist das Ding das Einzige, was du als Geschenk für Tante Beth gefunden hast? Da hast du dich ja nicht gerade übertroffen, meine Liebe!« Dann sage ich in verschwörerischem Ton zu dem Detektiv: »Außer Walmart kennt sie nicht viel. Sie denkt, dass die Kassen immer im Erdgeschoss sind.«
Er glaubt mir zwar keine Sekunde, aber da im ganzen Geschäft festliche Stimmung herrscht, hat er offenbar keine große Lust auf einen Skandal. Ich biete an, das Täschchen zu bezahlen und die ganze Sache zu vergessen. Zu der jungen Frau sage ich: »Du kannst es mir später zurückgeben, Madison!«
»Schon in Ordnung, schon in Ordnung«, brummt der Detektiv genervt.
Ich bedanke mich mit einem Lächeln für sein Verständnis und folge ihm zur Kasse. Dann bezahle ich schnell, doch als ich mich umdrehe, ist die schöne Unbekannte verschwunden.
—
Ich renne die Rolltreppe in die falsche Richtung hinunter, laufe durch die Spielzeugabteilung und remple ein paar Kinder an, dann stehe ich auf der 34th Street.
Der Schnee fällt in dicken Flocken.
Wohin mag sie gegangen sein? Nach rechts? Nach links?
Die Chancen stehen fifty-fifty. Ich beschließe, mich nach links zu wenden. Ich hatte keine Zeit, meine Brille aufzusetzen, und bin blind wie ein Maulwurf. Ich werde sie nie wiederfinden, das ist sicher.
Der Asphalt ist glatt wie eine Eisbahn. Mit meinem Mantel und meinen Paketen habe ich Mühe, schnell zu laufen. Trotz des dichten Verkehrs gehe ich auf der Straße, um die Menschenmenge zu überholen, doch angesichts der vielen Autos bedauere ich diesen Entschluss sehr bald. Mit einem Sprung versuche ich, auf den Bürgersteig zurückzugelangen, gleite dabei aber aus. Meine Schlitterpartie wird von einer Passantin aufgehalten, die ich zu Boden reiße.
»Entschuldigung«, sage ich und rapple mich auf.
Ich suche in meiner Manteltasche nach der Brille, setze sie auf und …
Sie ist es!
»Schon wieder Sie!«, schimpft sie, während sie aufsteht. »Sie sind ja völlig krank, so auf die Leute zuzustürzen!«
»Hey! Sie könnten sich erst mal bei mir bedanken! Ich habe Ihnen aus der Patsche geholfen!«
»Ich habe Sie um nichts gebeten. Und außerdem, sehe ich etwa wie ein Landei aus Kentucky aus?«
Unverschämt! Ich bin fassungslos. Sie fröstelt. Ich sehe, wie sie sich mit den Händen die Arme reibt.
»Gut, hier erfriert man ja. Bis irgendwann mal«, sagt sie und geht weiter.
»Warten Sie! Vielleicht können wir etwas trinken?«
»Ich muss zur U-Bahn«, sagt sie, verzieht das Gesicht und deutet auf den Eingang der Subway Station Herald Square auf der anderen Straßenseite.
»Ach, nur ein kleines Gläschen guten Wein im Bryant Park Café. Das ist nicht weit, da können Sie sich aufwärmen.«
Sie zögert kurz. »Na gut. Aber machen Sie sich keine Illusionen. Sie sind ganz und gar nicht mein Typ …«
—
Das Bryant Park Café liegt hinter der New York Public Library. Im Sommer ist der Park eine kleine grüne Oase inmitten all der Wolkenkratzer von Midtown. Studenten und Angestellte des Viertels kommen hierher, um ein Konzert oder eine Lesung zu hören, Schach zu spielen oder eine Kleinigkeit
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